Arbeitsrecht Info - 04.2015

Arbeitsunfähigkeit:

Arbeitnehmer hat bei Observation durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen Anspruch auf Schmerzensgeld

| Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Für dabei heimlich hergestellte Abbildungen gilt dasselbe. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen Geldentschädigungsanspruch („Schmerzensgeld“) begründen. |

Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Sekretärin der Geschäftsleitung. Sie war ab dem 27. Dezember 2011 arbeitsunfähig erkrankt, zunächst mit Bronchialerkrankungen. Für die Zeit bis 28. Februar 2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuerst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31. Januar 2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie.

Der Arbeitgeber bezweifelte den zuletzt telefonisch mitgeteilten Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte von Mitte bis Ende Februar 2012 an vier Tagen. Beobachtet wurden u.a. das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Klägerin in einem Waschsalon. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt. Der dem Arbeitgeber übergebene Observationsbericht enthält elf Bilder, neun davon aus Videosequenzen.

Die Klägerin hält die Beauftragung der Observation einschließlich der Videoaufnahmen für rechtswidrig und fordert ein Schmerzensgeld, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Sie hält 10.500 EUR für angemessen. Sie habe erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten, die ärztlicher Behandlung bedürften.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 1.000 EUR stattgegeben. Die Revisionen beider Parteien blieben vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg.

Die Richter dort waren der Ansicht, dass die Observation einschließlich der heimlichen Aufnahmen rechtswidrig war. Der Arbeitgeber hatte keinen berechtigten Anlass zur Überwachung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden war. Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Höhe des Schmerzensgeldes war in der Revisionsinstanz nicht zu beanstanden.

Hinweis | Es war nicht zu entscheiden, wie Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wenn ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist.

Quelle | BAG, Urteil vom 19.2.2015, 8 AZR 1007/13, Abruf-Nr. 143970 unter www.iww.de.


EuGH-Vorlage:

Anwendung griechischer Spargesetze in Deutschland

| Die Spargesetze Griechenlands sind nun auch in der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit angekommen. Fraglich ist, ob die griechischen Gesetze als sogenannte Eingriffsnormen auf das in der Bundesrepublik Deutschland zu erfüllende und deutschem Recht unterliegende Arbeitsverhältnis unmittelbar oder mittelbar Anwendung finden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Frage an den EuGH weitergegeben. |

Der Kläger in dem betreffenden Fall ist griechischer Staatsangehöriger. Er ist als Lehrer an der von der beklagten Republik Griechenland getragenen Griechischen Volksschule in Nürnberg beschäftigt. Er fordert weitere Vergütung für den Zeitraum Oktober 2010 bis Dezember 2012 i.H.v. insgesamt 20.262,32 EUR sowie Lohnabrechnungen. Die streitigen Teile der laufenden Vergütung und der Jahressonderzahlungen hat die beklagte Republik unter Berufung auf die griechischen Spargesetze von der gezahlten Bruttovergütung abgesetzt. Diese hatte sich zuvor an das deutsche Tarifrecht des öffentlichen Dienstes angelehnt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil es die Zuständigkeit deutscher Gerichte verneinte. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die beklagte Republik die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Für den Senat ist es streitentscheidend, ob die griechischen Spargesetze als sogenannte Eingriffsnormen auf das in der Bundesrepublik Deutschland zu erfüllende und deutschem Recht unterliegende Arbeitsverhältnis unmittelbar oder mittelbar Anwendung finden. Ausgangsfrage ist, ob das im Jahr 1996 begründete und jedenfalls bis Ende 2012 fortbestehende Arbeitsverhältnis der Parteien dem Geltungsbereich der Rom I-Verordnung oder noch dem alten IPR Deutschlands (Art. 27 ff. EGBGB a.F.) unterfällt. Um das abzuklären, hat das BAG den EuGH angerufen. Dieser muss nun die offenen Fragen klären.

Quelle | BAG, Beschluss vom 25.2.2015, 5 AZR 962/13 (A), Abruf-Nr. 143971 unter www.iww.de.


Kündigungsrecht:

Auflösungsantrag beendet Arbeitsverhältnis nicht sofort

| Das Arbeitsverhältnis besteht auch dann fort, wenn der Arbeitnehmer einen Auflösungsantrag angekündigt hat, über den das Arbeitsgericht noch nicht entschieden hat. |

Hierauf hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hingewiesen. Auch wenn die Auflösung rückwirkend erfolgen kann, ändere dies nichts an dem Umstand, dass das Gericht die Auflösung nicht lediglich feststellt, sondern das Arbeitsverhältnis durch Urteil erst auflöst. Dies bedeute, dass das Arbeitsverhältnis und damit die sich aus ihm ergebenden wechselseitigen Pflichten bestehen, solange das Arbeitsverhältnis nicht durch (rechtskräftiges) gestaltendes Urteil des Arbeitsgerichts aufgelöst ist.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 12.11.2014, 5 Sa 420/14, Abruf-Nr. 174336 unter  www.iww.de.


Vollstreckungsrecht:

Unpfändbarkeit von Ansprüchen auf Zeitzuschläge

| Die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Schichtzulagen sowie auf Zuschläge für Nachtarbeit-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sind unpfändbar und können nicht abgetreten werden. |

Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Fall eines Angestellten entschieden. Dieser war bei dem beklagten Landkreis beschäftigt. Er trat im Rahmen eines Privatinsolvenzverfahrens seine pfändbaren Bezüge an eine Treuhänderin ab. Mit seiner Klage hat er die Auszahlung von tariflichen Wechselschichtzulagen sowie Zuschlägen für Dienste zu ungünstigen Zeiten verlangt. Er meint, die Zuschläge seien unpfändbar.

Das LAG hat der Klage – wie bereits das Arbeitsgericht – entsprochen. Nach der Zivilprozessordnung sind u.a. „Schmutz- und Erschwerniszulagen“ unpfändbar. Dabei werde zwischen verschiedenen Erschwernissen der Arbeit nicht unterschieden. Erschwernisse für den Arbeitnehmer könnten sich sowohl aufgrund der Art der auszuübenden Tätigkeit als auch regelmäßig wechselnden Dienstschichten oder einer Arbeitsleistung in der Nacht oder an Feiertagen ergeben. Dies führe zur Unpfändbarkeit von Schichtzulagen und von Zuschlägen für Arbeiten zu ungünstigen Zeiten. Das Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt, dass unpfändbare Forderungen nicht abgetreten werden können. Hieraus folge, dass die Zuschläge dem Arbeitnehmer auszuzahlen seien. Die Treuhänderin könne sie nicht einziehen und an die Gläubiger verteilen.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9.1.2015, 3 Sa 1335/14, Abruf-Nr. 143918 unter www.iww.de.


Betriebsratswahl:

Keine nachträgliche Anpassung der Geschlechterquote

| Die Besetzung eines nach Geschlechterproporz gewählten Betriebsrats ist nicht nachträglich anzupassen, wenn die Geschlechterquote im Nachrückverfahren übererfüllt wird. |

Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht Köln. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz muss das Geschlecht der Minderheit in einem Betriebsrat mindestens seinem zahlenmäßigen Anteil an der Belegschaft entsprechend vertreten sein. Dies wird durch entsprechende Verfahrensregeln sichergestellt. Im entschiedenen Fall war nach diesen Verfahrensregeln eine Bewerberin (Geschlecht der Minderheit) in den Betriebsrat eingezogen. Sie hatte einen Bewerber, der im direkten Vergleich mehr Stimmen erzielt hatte, „verdrängt“. Später schied ein (anderes) männliches Mitglied aus dem Betriebsrat aus. Dieses wurde im Nachrückverfahren durch eine Bewerberin ersetzt. Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, dass die Minderheitenquote nunmehr übererfüllt sei. Die zunächst in den Betriebsrat eingezogene Bewerberin müsse aus dem Betriebsrat ausscheiden und der zunächst „verdrängte“ Bewerber Mitglied des Betriebsrats werden.

Das Arbeitsgericht Köln ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Es hat festgestellt, dass die zunächst in den Betriebsrat eingezogene Bewerberin Mitglied des Betriebsrats bleibt. Sie wird nicht durch den „verdrängten“ Bewerber ausgetauscht.

Quelle | Arbeitsgericht Köln, Beschluss vom 12.11.2014, 17 BV 296/14, Abruf-Nr. 143871  unter www.iww.de.

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