Arbeitsrecht Info - 07.2017

29.06.2017
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Aktuelle Gesetzgebung:

Gleiches Geld für gleiche Arbeit: Das Entgelttransparenzgesetz

| Mitte Mai 2017 gab der Bundesrat grünes Licht für das neue „Gesetz zur Förderung von Transparenz von Entgeltstrukturen“. Das Gesetz soll zukünftig für Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern sorgen. |

Was bedeutet das für Arbeitnehmer?

Arbeitnehmer können zukünftig Auskunft über die Entgeltstrukturen in ihrem Betrieb verlangen. Das wesentliche Steuerungswerkzeug ist hierbei der Auskunftsanspruch, mit dem sie zukünftig ein individuelles Auskunftsrecht erhalten. So können Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten ihre eigene Entlohnung mit der Entlohnung von Kollegen beziehungsweise Kolleginnen mit gleicher Tätigkeit vergleichen. Besonders wichtig: Der Auskunftsanspruch bezieht sich aber nicht auf das konkrete Entgelt einzelner Mitarbeiter, sondern auf ein durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt von Mitarbeitern des anderen Geschlechts mit gleichen oder vergleichbaren Tätigkeiten.

In tarifgebundenen Unternehmen soll der Auskunftsanspruch in der Regel über die Betriebsräte wahrgenommen werden. In Betrieben ohne Betriebsrat und ohne Tarifvertrag wenden sich die Arbeitnehmer direkt an den Arbeitgeber.

Was bedeutet das für Arbeitgeber?

Auf die Arbeitgeber kommen Prüfverfahren und Berichtspflichten zu.

Prüfverfahren: Das Entgelttransparenzgesetz sieht die Einführung betrieblicher Verfahren zur Überprüfung der Lohngleichheit vor. Private Arbeitgeber sollen ihre Vergütungsstrukturen überprüfen und das Gebot der Entgeltgleichheit entsprechend gestalten.

Berichtspflichten: Lageberichtspflichtige Unternehmen (Kapitalgesellschaften) ab 500 Arbeitnehmer müssen künftig regelmäßig über Maßnahmen zur Gleichstellung und zur Entgeltgleichheit im Unternehmen berichten.


Arbeitsunfall:

Verletzung nach Streit mit Türsteher – kein Arbeitsunfall

| Maßgeblich für den erforderlichen Zusammenhang zwischen einer versicherten Tätigkeit und dem schädigenden (Unfall-)Ereignis ist, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsverhältnis dienende Verrichtung ausüben wollte und dies durch die objektiven Umstände bestätigt wird. Dies ist nicht der Fall bei einer Auseinandersetzung mit einem Türsteher beim Versuch, wieder in einen Club zu gelangen, um eine vergessene Jacke zu holen. |

Im vorliegenden Fall sollte festgestellt werden, ob ein Vorfall auf Ibiza ein Arbeitsunfall war. Die Richter am Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg zweifelten nach der Beweiserhebung erheblich und verneinten dies. Sie begründeten ihre Entscheidung wie folgt:

  • Ob der Kläger „Beschäftigter“ und damit gesetzlich unfallversichert gewesen sei, sei zweifelhaft. Er gab an, dass er im Club auf Ibiza Verkaufsverhandlungen geführt habe. Zuvor hatte er behauptet, die Geschäftsgespräche seien vor dem Besuch des Clubs beendet gewesen.
  • Ebenfalls sei nicht bewiesen, dass der Kläger beim Verlassen des Clubs auf einem versicherten Heimweg gewesen sei. Es sei wahrscheinlicher, dass er nach dem kurzzeitigen Verlassen des Clubs wieder hinein wollte und vom Türsteher abgewiesen wurde. Dieses stehe nicht unter dem Schutz der Unfallversicherung. Dafür kämen nur private Gründe in Frage, insbesondere der selbst geschilderte Grund, seine vergessene Jacke zu holen. Weder er noch seine Geschäftspartner hätten zudem behauptet, dass in dieser Phase noch Verkaufsverhandlungen geführt werden sollten.

Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9.3.2017, L 6 U 2131/16, Abruf-Nr. 193306 unter www.iww.de.


Streikrecht:

Gewerkschaft darf im Einzelfall auch auf Betriebsgelände Streikmaßnahmen durchführen

| Es ist einer Gewerkschaft nicht grundsätzlich untersagt, Arbeitskampfmaßnahmen auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers durchzuführen. |

Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg entschieden und damit eine entgegenstehende Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin abgeändert. In dem Fall ging es um einen Arbeitskampf zwischen der Gewerkschaft Ver.di und der Amazon Pforzheim GmbH. Die Gewerkschaft will erreichen, dass die Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels in Baden-Württemberg angewendet werden. Sie beabsichtigt, Streikposten auf dem nicht eingefriedeten und zum Betriebsgelände gehörenden gepachteten Parkplatz des Unternehmens aufzustellen. Angesichts der örtlichen Verhältnisse und des Organisationsgrads der Belegschaft könne nur so eine Kommunikation mit arbeitswilligen Arbeitnehmern effektiv geführt werden.

Das LAG hat die Unterlassungsklage von Amazon, mit der sie jegliche Streikpostenaktivitäten auf ihrem Parkplatz verhindern wollte, abgewiesen. Amazon müsse eine Einschränkung ihres Besitzrechts im Hinblick auf die von Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz geschützte gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit hinnehmen. Ver.di könne angesichts der örtlichen Verhältnisse mit der Belegschaft nur auf dem Parkplatz kommunizieren und arbeitswillige Mitarbeiter zur Teilnahme an dem Arbeitskampf auffordern. Die betriebliche Tätigkeit von Amazon würde hierdurch nicht beeinträchtigt. Auch müsse Amazon keine weiteren Betriebsmittel zur Unterstützung des Arbeitskampfes zur Verfügung stellen.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.3.2017, 24 Sa 979/16, Abruf-Nr. 193892 unter www.iww.de.


Kündigungsrecht:

Wer schläft, sündigt nicht (immer): Nicht jede Nichteinhaltung der Pausenzeit ist Arbeitszeitbetrug

| Das Arbeitsgericht Siegburg hatte über den Antrag eines Arbeitgebers zu entscheiden, die Zustimmung des Betriebsrats (BR) zur Kündigung eines seiner Mitglieder ersetzen zu lassen. Der Arbeitgeber beabsichtigte, diesem wegen Arbeitszeitbetrugs fristlos zu kündigen. Die dafür erforderliche Zustimmung erteilte der BR nicht. |

Der Arbeitgeber warf dem Arbeitnehmer vor, während der Arbeitszeit im Pausenraum tief und fest geschlafen zu haben und sah darin einen Arbeitszeitbetrug. Einige Tage zuvor sei er ebenfalls beim Schlafen erwischt und abgemahnt worden. Der Mitarbeiter hatte angegeben, sich wegen starker Knieschmerzen zwei Minuten früher in den Pausenraum begeben zu haben, um dort auf der Krankenliege kurz das Bein hochzulegen.

Die 4. Kammer des Arbeitsgerichts hat den Antrag des Arbeitgebers zurückgewiesen. Die Zustimmung des BR war ihrer Auffassung nach nicht zu ersetzen, da kein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliege. Selbst wenn der Arbeitnehmer sich zweimal einige Minuten vor Beginn der Pause hingelegt habe, rechtfertige das nach Auffassung des Gerichts auch nach einschlägiger Abmahnung nicht die außerordentliche Kündigung. Eine solche stehe bei einem seit über 20 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnis außer Verhältnis zur Schwere der Pflichtverletzung. Nicht jede Nichteinhaltung der Pausenzeit sei ein Arbeitszeitbetrug.

Quelle | Arbeitsgericht Siegburg, Beschluss vom 3.5.2017, 4 BV 56/16, Abruf-Nr. 194495 unter www.iww.de.

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