Verbraucherrecht Info - 06.2015

Haftungsrecht:

Kein Schadenersatz bei selbstverschuldetem Sturz im frisch gewischten Treppenhaus

| Wer in einem erkennbar frisch geputzten Treppenhaus ausrutscht, weil er sich nicht am Geländer festhält, ist selbst schuld und bekommt weder Schmerzensgeld noch Schadenersatz. |

Diese deutliche Aussage traf das Amtsgericht München im Fall eines 51-jährigen Mieters. Dieser stürzte im Treppenhaus. Dabei erlitt er eine dislozierte Humerusfraktur rechts und musste noch am gleichen Tag operiert werden. Er leidet seitdem an Schmerzen und hat massive Bewegungseinschränkungen. Er hat eine 11 Zentimeter lange Narbe. Wegen der Folgen des Unfalls leidet er unter Depressionen. Mittlerweile erhält er Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er ist zu 50 Prozent aufgrund des Unfalls schwerbehindert.

Ursache des Sturzes war ein rutschiger Boden des Treppenhauses, das zuvor gereinigt worden war. Warnschilder seien nicht aufgestellt gewesen. Der Kläger hält ein Schmerzensgeld von mindestens 80.000 EUR für angemessen. Er verlangt außerdem Schadenersatz in Höhe von monatlich 947 EUR bis zum 1.1.2031. Das ist die Differenz zwischen dem Einkommen, was er bei Erwerbsfähigkeit erzielen könnte und der tatsächlichen Rentenzahlung.

Die Haftpflichtversicherung der Vermieterin erkannte die Haftung dem Grunde nach an, bezahlte einen Schmerzensgeldvorschuss in Höhe von 3.500 EUR und erstattete Kosten in Höhe von 140 EUR für ärztliche Atteste. Weitere Zahlungen sind nicht erfolgt.

Die zuständige Richterin wies die Klage ab. Das Gericht geht von einem 100-prozentigen Mitverschulden des Mieters an dem Unfall aus. Er habe beim Benutzen des Treppenhauses die Sorgfalt außer Acht gelassen, die nach Lage der Sache erforderlich erschien, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Er habe sich offenbar nicht ausreichend am Treppengeländer festgehalten, obwohl die Gefahr des Ausrutschens offensichtlich bestand. Nach Auffassung des Gerichts wiegt die Mitschuld des Mieters hierbei so stark, dass eine Ersatzpflicht der Vermieterin vollständig entfällt. Nach Aussage aller Zeugen sei das Treppenhaus zum Zeitpunkt des Sturzes sehr nass gewesen. Dies sei auch deutlich erkennbar gewesen. Es seien großflächige, sehr nasse Stellen zu sehen gewesen. Der Hausflur sei gut beleuchtet gewesen. Nach Zeugenaussagen sei es nicht das erste und nicht das letzte Mal gewesen, dass das Treppenhaus so nass war. Nach Zeugenaussagen habe das damals benutzte Reinigungsmittel sehr stark gerochen. Daher sei jeder Bewohner schon durch den Geruch ausreichend gewarnt gewesen. Aufgrund der Zeugenaussagen geht das Gericht davon aus, dass der Mieter sowohl aufgrund des Geruchs im Treppenhaus, als auch aufgrund der offenbar eindeutigen Wahrnehmbarkeit der Nässe auf dem Boden hätte erkennen müssen, dass Rutschgefahr bestand. Er hätte sich am vorhandenen Handlauf festhalten müssen.

Das Gericht stellt weiter fest, dass das Mitverschulden auch nicht durch die Zahlung der Haftpflichtversicherung ausgeschlossen ist. Diese Zahlung könne auf die Anrechnung des Eigenverschuldens des Klägers keinen Einfluss haben.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 12.9.2013, 454 C 13676/11, rkr., Abruf-Nr. 144473 unter www.iww.de.


Energieversorgung:

Energieversorger darf bei Erkrankung der Schuldnerin Stromzufuhr nicht unterbrechen

| Das Amtsgericht Hannover hat einem hannoverschen Energieversorgungsunternehmen im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, trotz Zahlungsrückstand den Strom bei einem Ehepaar abzustellen. Der 59-jährige Ehemann ist an Demenz erkrankt, die 58-jährige Ehefrau leidet an einer Lungenerkrankung aufgrund derer sie ein Sauerstoffgerät benötigt, das mit Strom betrieben wird. |

Das Ehepaar hat einen Zahlungsrückstand von 396 EUR für Strom und 1486,74 EUR für sonstige Nebenkosten. Das Energieversorgungsunternehmen teilte mit Schreiben vom 5.2.2015 die Sperrung der Energieversorgung zum 12.2.2015 mit. Am 11.2.2015 beantragte das Ehepaar beim Sozialgericht Hannover eine einstweilige Anordnung zur Unterbindung der Stromabschaltung. Das Ehepaar trug vor, aufgrund der Erkrankungen die Zahlungen übersehen zu haben. Die Ehefrau sei durch die Erkrankung der Lunge „komplett aus dem Leben gerissen“ worden, der Ehemann habe durch die Alzheimererkrankung die Rechnungen vergessen. Nachdem das Sozialgericht wegen eigener Unzuständigkeit das Verfahren im April an das Amtsgericht Hannover abgegeben hatte, erließ das Amtsgericht Hannover die begehrte einstweilige Verfügung.

Der erkennende Richter entschied, dass die Folgen der Unterbrechung der Stromzufuhr außer Verhältnis zu der Schwere der Zuwiderhandlung stehen. Da die Ehefrau aus medizinischen Gründen auf die Stromzufuhr angewiesen ist und ihr im Fall einer Sauerstoffunterversorgung gravierende gesundheitliche Probleme drohen, rechtfertigt in diesem speziellen Fall ein Zahlungsrückstand nicht die Sperrung. Anderes gilt für die Rückstände auf Gas, Wasser und Wärme. Hier ist eine Sperrung wegen des Zahlungsrückstands zulässig, da hier keine besonderen gesundheitlichen Belange entgegenstehen.

Quelle | Amtsgericht Hannover, Einstweilige Verfügung vom 8.4.2015, 561 C 3482/15, Abruf-Nr. 144472 unter www.iww.de.


Aktuelle Gesetzgebung:

Hospiz- und Palliativversorgung wird verbessert

| Auf Grundlage eines Ende 2014 entwickelten Eckpunktepapiers soll noch 2015 ein Gesetz beschlossen werden, das die Versorgung sterbenskranker Menschen verbessert. In ganz Deutschland soll ein flächendeckendes Hospiz- und Palliativangebot geschaffen werden. Die noch lückenhafte Versorgung in ländlichen, strukturschwachen Regionen, auch im Bereich der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV), soll beseitigt werden. |

Ziel ist die Weiterentwicklung einer vernetzten, kooperativen Betreuung und Versorgung, bei der professionelle und ehrenamtliche Betreuung und Versorgung zusammengehen. Der Hospiz- und Palliativgedanke soll in der Regelversorgung stärker verankert werden. Die allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) soll weiter gestärkt und die vertragliche Gestaltung bei SAPV-Versorgungen vereinfacht werden. Vorgesehen sind weiterhin die Verbesserung der finanziellen Ausstattung stationärer Hospize, der Krankenkassen-Zuschuss bei Hospizpflege für Erwachsene wird von 90 Prozent auf 95 Prozent angehoben (Eckpunkte im Volltext,http://www.iww.de/sl1610).

Seit 2013 unterstützt das Forum Hospiz- und Palliativversorgung des Bundesgesundheitsministeriums Ausbau und Diskussion um die Entwicklungen in Hospizkultur und Palliativversorgung sowie die Vernetzung der verschiedenen Akteure. Es tritt ca. zweimal jährlich zusammen.


Bankrecht:

Klausel zum ordentlichen Kündigungsrecht der Sparkassen ist unwirksam

| Räumen Sparkassen gegenüber Verbrauchern ein Recht zur ordentlichen Kündigung ein, ohne klarzustellen, dass eine Kündigung nur aus sachgerechten Gründen zulässig ist, ist diese Klausel unwirksam. |

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverband. Er wollte, dass die beklagte Sparkasse die folgende Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mehr nutzen darf:

„Nr. 26 Kündigungsrecht

  • (1)Ordentliche Kündigung
  • Soweit keine zwingenden Vorschriften entgegenstehen und weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, können sowohl der Kunde als auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Kündigt die Sparkasse, so wird sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen.
  • Für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags (z. B. Girovertrag oder Kartenvertrag) durch die Sparkasse beträgt die Kündigungsfrist mindestens zwei Monate. […]“

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen. Der BGH hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der beklagten Sparkasse zurückgewiesen, soweit die Klausel das Recht der Beklagten zur ordentlichen Kündigung gegenüber Verbrauchern betrifft. Die Klausel ist insoweit intransparent und damit nach dem AGB-Recht unwirksam. Die Beklagte ist als Sparkasse in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert. Sie ist unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Daher ist sie nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch gehindert, den Zugang zu ihren Einrichtungen ohne sachgerechten Grund willkürlich zu beschneiden. Kündigt die Sparkasse ohne sachgerechten Grund, ist die Kündigung wegen eines Gesetzesverstoßes nichtig.

Da die Klausel diesen Umstand mit der Wendung „Soweit keine zwingenden Vorschriften entgegenstehen, …“ nicht klar und verständlich zum Ausdruck bringt, verstößt sie gegen das Transparenzgebot.

Quelle | BGH, Urteil vom 5.5.2015, XI ZR 214/14, Abruf-Nr. 144471 unter www.iww.de.

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