Verkehrsrecht Info - 04.2017

28.03.2017
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Haftungsrecht:

Bei einem Unfall im Parkhaus kann auch der Vorfahrtsberechtigte mithaften

| Ein Nutzer muss beim Befahren eines Parkplatzes stets mit ein- und ausparkenden bzw. -fahrenden Fahrzeugen rechnen und hat eine besondere Rücksichtnahmepflicht. Dies kann dazu führen, dass auch der Vorfahrtsberechtigte mit 50 Prozent haftet.

Das folgt aus einer Entscheidung des Amtsgerichts München. In dem Verfahren ging es um einem Verkehrsunfall in einem Parkhaus. Beide Fahrzeugführer wollten das Parkhaus verlassen. Der beklagte Fahrer fuhr mit seinem Pkw Passat geradeaus. Er befand sich auf der Straße, die einmal durch das ganze Parkhaus führt. Links und rechts zweigen Querstraßen ab, in denen sich die einzelnen Parkplätze befinden. Die Klägerin kam mit ihrem Pkw Skoda aus Sicht des Beklagten von rechts aus einer dieser Querstraßen. Die Durchgangsstraße ist fünf Meter breit, die Querstraßen sind 6 Meter breit. Im Kreuzungsbereich kam es zum Unfall der beiden Fahrzeuge. Die Klägerin macht einen Schaden von insgesamt 5.138,75 EUR an ihrem Pkw geltend. Sie behauptet, der Passat sei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren und habe die Vorfahrt missachtet. Die Versicherung des Beklagten hat vor dem Prozess bereits die Hälfte des Schadens beglichen. Mit der Klage verlangt nun die Klägerin den Restbetrag.

Die zuständige Richterin am Amtsgericht München wies die Klage ab. Nach dem Urteil haften die beiden Unfallbeteiligten jeweils mit 50 Prozent. Da die Versicherung des Beklagten vorgerichtlich bereits 50 Prozent des Schadens der Klägerin beglichen hat, schulden der Beklagte und seine Versicherung nach dem Urteil der Klägerin keinen weiteren Schadenersatz.

Inwieweit die Vorfahrtsregel der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf einem Parkplatz Anwendung findet, hängt davon ab, ob die Fahrspuren lediglich dem ruhenden Verkehr d. h. dem Suchverkehr dienen, oder ob sie darüber hinaus Straßencharakter besitzen. Entscheidend für diese Beurteilung sind die sich den Kraftfahrern bietenden baulichen Verhältnisse, insbesondere die Breite der Fahrspuren sowie ihre Abgrenzung von den Parkboxen, so das Urteil. Im vorliegenden Fall sei wegen der breit ausgebauten Straßen ein gewisser Straßencharakter anzunehmen. Daher gelte an den Schnittpunkten der Straßen die rechts vor links Regel.

Daneben gelte aber eine besondere und spezifische Rücksichtnahmepflicht aller Verkehrsteilnehmer. Das bedeutet, dass jeder Verkehrsteilnehmer auf einem solchen Parkplatz, auch ein von rechts Kommender, mit erhöhter Vorsicht fahren muss. Ein Nutzer muss also beim Befahren des Parkplatzes stets mit ein- und ausparkenden bzw. -fahrenden Fahrzeugen rechnen, so das Urteil. Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt und sich den Feststellungen des Sachverständigen angeschlossen. Danach hätte der Unfall vermieden werden können, wenn beide Beteiligte vorliegend ihre sich aus dem Parkplatzverhältnis ergebende besondere Rücksichtnahmepflicht erfüllt hätten. Die Gegebenheiten auf dem Parkplatz lassen es vorliegend nicht zu, dass die Führerin des klägerischen Fahrzeugs sich blind auf ihr Vorfahrtsrecht nach der rechts vor links Regel verlässt. Dies insbesondere, als die Straße, auf der sich der Beklagte befand, geradeaus durch das Parkhaus durchführt und von allen Verkehrsteilnehmern genutzt werden muss, um zur Ausfahrt zu gelangen. Auf dieser Straße ist ständig mit Begegnungsverkehr zu rechnen, so das Gericht weiter. Das Gericht kommt zu einer Haftungsverteilung von 50 Prozent für beide Parteien.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 23.6.2016, 333 C 16463/13, Abruf-Nr. unter www.iww.de.


Ausländischer Führerschein:

Wer einen anderen sein Fahrzeug fahren lässt, muss erst dessen Führerschein prüfen

| Wer es fahrlässig anordnet oder zulässt, dass ein anderer ein Fahrzeug ohne Fahrerlaubnis führt, macht sich strafbar. |

Das musste sich der Betriebsleiter einer Bäckerei vor dem Amtsgericht München sagen lassen. Der Mann führte und leitete eine Bäckerei, zu der auch ein Auslieferungs-Lkw gehörte. Für diesen Lkw stellte der Mann einen Fahrer ein und überließ ihm das Fahrzeug. Er hatte jedoch nicht überprüft, ob der Fahrer auch eine ausreichende Fahrerlaubnis besitzt.

Bei einer Verkehrskontrolle stellte sich heraus, dass der Fahrer keine Fahrerlaubnis hatte. Er besaß lediglich eine katarische Fahrerlaubnis. Diese galt nicht mehr zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, weil der Fahrer am Tag der Kontrolle bereits seit mehr als sechs Monaten seinen Wohnsitz in Deutschland hatte.

Vor Gericht gab der verurteilte Betriebsleiter an, er hätte nicht wissen können, dass die katarische Fahrerlaubnis in Deutschland nicht gilt. Die zuständige Richterin hat ihn dennoch verurteilt. Der Mann habe sich zwar den Führerschein vorzeigen lassen. Er habe jedoch keine näheren Informationen eingeholt, ob dieser Führerschein mit der hiesigen Fahrerlaubnisvoraussetzung des C 1 übereinstimmt und ob die ausländische Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt gültig ist. Bei Anwendung der im Verkehr erforderliche Sorgfalt hätte er erkennen müssen und können, ggf. durch Nachfrage bei den Verwaltungsbehörden, ob der Fahrer am konkreten Tattag mit dem Firmen-Lkw zum Transport auf öffentlichen Straßen zugelassen werden darf.

Es gelte also: Der Fahrzeughalter, der einen Dritten mit seinem Kraftfahrzeug fahren lässt, muss vorher prüfen, ob dieser die erforderliche Fahrerlaubnis hat. Hierbei sind an seine Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen zu stellen. Speziell bei ausländischen Fahrerlaubnissen muss sich der Halter vergewissern, ob der Führerschein in Deutschland gültig ist. Der Angeklagte hätte hierbei gegebenenfalls beim Landratsamt oder einem Automobilverband rückfragen müssen, ob (der Fahrer) im Besitz einer gültigen deutschen Fahrerlaubnis ist.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 21.10.2016, 912 Cs 413 Js 141564/16, Abruf-Nr. unter www.iww.de.


Reparaturkosten:

Beilackierung im Gutachten, Reparatur laut Gutachten

| Erteilt der Geschädigte der Werkstatt den Auftrag zur Reparatur entsprechend der gutachterlichen Vorgaben, und ist im Schadengutachten eine farbangleichende Beilackierung vorgesehen, muss der Schädiger die Beilackierungskosten erstatten. |

So sieht es das Amtsgericht Geilenkirchen. Es stützt sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH). So dürfe der Geschädigte als Laie darauf vertrauen, dass das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten die ersatzfähigen Kosten korrekt angibt. Werden im Sachverständigengutachten die Kosten falsch ermittelt, müsse dieses Risiko der Schädiger tragen.

Quelle | Amtsgericht Geilenkirchen, Urteil vom 25.1.2017, 10 C 80/16, Abruf-Nr. 191959 unter www.iww.de.


Reparaturkosten:

Kosten für die Probefahrt sind erstattungspflichtig

| Berechnet die Werkstatt in Übereinstimmung mit dem Schadengutachten eine Probefahrt nach der Reparatur, so sind diese Kosten vom Schädiger zu erstatten. |

So entschieden es die Amtsgerichte Überlingen und Tettnang. Während es das Amtsgericht Überlingen bei der bloßen Feststellung beließ, holte das Amtsgericht Tettnang etwas weiter aus: „Nachdem der Sachverständige eine Probefahrt mit den hierfür geltend gemachten Kosten zur Schadenbeseitigung für erforderlich hielt, bestanden für die Klägerin als Laien jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Einzelfall keinerlei zwingende Anhaltspunkte dafür, dass die mit dem Gutachten korrespondierende Position der Kosten einer Probefahrt nicht zur ordnungsgemäßen Schadenbeseitigung erforderlich gewesen wäre. Der im Gutachten und in der Reparaturrechnung abgerechnete Zeitaufwand für die Probefahrt von 0,3 AW = 20 Minuten erscheint auch durchaus angemessen und dem vorgesehenen Reparaturumfang adäquat.

Quelle | Amtsgericht Überlingen, Urteil vom 3.2.2017, 1 C 215/16, Abruf-Nr. 191899 unter www.iww.de; Amtsgericht Tettnang, Urteil vom 14.2.2017, 1 C 396/16, Abruf-Nr. 191900 unter www.iww.de.


Fahrverbot:

BAB: Kein Augenblicksversagen bei Wechselverkehrszeichenanlage

| Ein Autofahrer kann sich in der Regel nicht auf ein sogenanntes Augenblicksversagen berufen, wenn er auf einer Bundesautobahn die angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet, die durch eine sich über die Breite mehrerer Fahrspuren erstreckende hochgestellte Wechselverkehrszeichenanlage angezeigt wird. |

Das hat das Amtsgericht Helmstedt entschieden. Nach Ansicht des Richters habe der Betroffene das Wechselverkehrszeichen nicht gesehen. Das beweise der Umstand, dass er über eine längere Zeitspanne das Wechselverkehrszeichen nicht gesehen hat. Aus diesem Grund könne nicht von einer kurzfristigen Unaufmerksamkeit des Betroffenen im Sinne eines Augenblicksversagens ausgegangen werden.

Quelle | Amtsgericht Helmstedt, Urteil vom 11.8.2016, 15 OWi 912 Js 19328/16, Abruf-Nr. 191566 unter www.iww.de.

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