Verkehrsrecht Info - 06.2014

Unfallschadenregulierung:

Versicherer bearbeiten Bagatellunfälle auch ohne Polizeiprotokoll

Die Polizei erfasst rund 2,4 Millionen Verkehrsunfälle im Jahr. Bei über 80 Prozent der Unfälle entsteht ein kleinerer oder größerer Sachschaden. Tatsächlich dürften sich aber weit mehr Verkehrsunfälle auf Deutschlands Straßen ereignen. Denn nicht immer ist es zwingend erforderlich, die Polizei zur Unfallaufnahme zu rufen. Was viele nicht wissen: Der Versicherer verlangt bei Bagatellunfällen für die Schadenregulierung nicht zwingend eine polizeiliche Unfallaufnahme.

Wenn der Unfallschaden wenige hundert Euro nicht übersteigt, können die Beteiligten den Unfall also auch selbst dokumentieren und gemeinsam ein Unfallprotokoll anfertigen. Dieses sollte aber die gleichen Angaben enthalten, wie ein Polizeiprotokoll. Am besten gelingt das mit dem Europäischen Unfallbericht. Den Europäischen Unfallbericht erhält man kostenlos bei seiner Kraftfahrtversicherung.

5 Tipps: Was bei einem Unfall auf jeden Fall notiert werden sollte:

  • Das amtliche Kennzeichen des Unfallgegners.
  • Namen und Adressen der beteiligten Fahrer. Die Unfallbeteiligten sollten sich die Ausweispapiere zeigen lassen und die Versicherungsgesellschaft und die Nummer des Versicherungsscheines notieren.
  • Ort und Zeit des Unfalles.
  • Namen und Adressen von Zeugen.
  • Sicher ist sicher: Fotos vom eigenen und vom gegnerischen Fahrzeugschaden machen. Die gesamte Unfallstelle von verschiedenen Standpunkten fotografieren und eine Unfallskizze anfertigen.

Ganz wichtig: Die Beteiligen müssen ihren Versicherer schnellstmöglich informieren und sollten niemals ein Schuldanerkenntnis abgeben.

Wurden Personen verletzt oder ist ein erheblicher Blechschaden entstanden, sollte immer die Polizei verständigt werden. Manchmal ist es auch schwierig zu beurteilen, wann eine Delle eine Delle bleibt und wann sie sich als größerer Schaden entpuppt. Im Zweifel sollte auch hier die Polizei dazu geholt werden. Vor allem, wenn man das Gefühl hat, dass irgendetwas nicht stimmt, Alkohol oder Drogen im Spiel sind oder der Unfallgegner versucht, einem die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Bei der Regulierung des Schadens ist man am besten bei seinem Anwalt aufgehoben. Das spart nicht nur Zeit und Nerven. Es hilft auch, gefährliche und kostspielige Fallen zu vermeiden.


Unfallschadenregulierung:

Ausfahrt aus Grundstück als besonders gefährliches Fahrmanöver

Wer trotz eines herannahenden Fahrzeugs mit seinem Fahrzeug aus einer Grundstücksausfahrt auf die Fahrbahn einbiegt, um unmittelbar danach links abzubiegen, vollzieht ein besonders gefährliches Fahrmanöver. Auch nach Beendigung der Grundstücksauffahrt kann er für einen Zusammenstoß mit dem herannahenden und zum Überholen ansetzenden Fahrzeug allein verantwortlich sein.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und einer Autofahrerin die alleinige Schuld an einem Verkehrsunfall gegeben. Diese war mit ihrem Pkw aus einer Grundstücksausfahrt nach links abgebogen, um nach etwa 14 m erneut nach links in die dortige Querstraße abzubiegen. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich der Kläger mit seinem Pkw in gleicher Fahrtrichtung. Beide Fahrzeuge kollidierten im Einmündungsbereich der Querstraße, als der Kläger den vor ihm auf die Straße gefahrenen Wagen der Beklagten überholen wollte.

Die Richter am OLG haben eine alleinige Haftung der Beklagten für den Verkehrsunfall bejaht. Ein Verschulden des Klägers an dem Zusammenstoß sei nicht festzustellen. Demgegenüber liege ein schwerwiegendes Verschulden der Beklagten vor, das ihre alleinige Haftung für den Verkehrsunfall begründe. Sie habe die beim Einfahren aus einer Grundstücksausfahrt geltenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen verletzt. Ihr Fahrmanöver sei anhaltend gefährlich gewesen, weil sie – obwohl sie den herannahenden Pkw des Klägers bemerkt habe – mit geringer Geschwindigkeit in die Fahrbahn eingebogen sei, um unmittelbar danach nach links abzubiegen. Dabei sei ihre Abbiegeabsicht für den nachfolgenden Verkehr nicht ohne Weiteres zu erkennen gewesen. Ihre verlangsamte Fahrweise habe auch auf eine gemächliche Einordnung in den fließenden Verkehr hinweisen können, das für den nachfolgenden Verkehr rechtzeitig erkennbare Setzen des linken Fahrtrichtungsanzeigers habe sie nicht dargetan. Deswegen habe sie ihre Einfahrt auf die Fahrbahn bis zum Passieren des klägerischen Fahrzeugs zurückstellen oder sich besonders darüber vergewissern müssen, dass ihre Absicht links abzubiegen erkannt werde. Das habe sie versäumt und es zudem unterlassen, durch die zweite Rückschau unmittelbar vor Beginn des Abbiegevorgangs noch einmal auf den rückwärtigen Verkehr zu achten (OLG Hamm, 9 U 210/13).


Geschwindigkeitsüberschreitung:

Betrunkener Fahrgast rechtfertigt keinen Verkehrsverstoß

Befürchtet ein Taxifahrer, dass sich ein betrunkener Fahrgast im Fahrzeug übergibt, rechtfertigt dies keinen Geschwindigkeitsverstoß, um schnellstmöglich eine Ausfahrt zu erreichen.

So entschied es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg im Fall eines Taxifahrers, der einen Bußgeldbescheid über 440 Euro und zwei Monate Fahrverbot erhalten hatte. Er hatte die dem Lärmschutz geschuldete nächtliche Geschwindigkeitsbeschränkung auf einer Autobahn um 64 km/h überschritten. Als Grund für die Raserei zur Oktoberfestzeit gab er an, er habe schnellstmöglich die nächste Ausfahrt erreichen wollen. Damit habe er verhindern wollen, dass sich ein betrunkener Fahrgast im Taxi übergibt. Der Amtsrichter, der nach Einspruch des Verkehrssünders über den Fall zu befinden hatte, zeigte Verständnis und sprach den Fahrer wegen eines „rechtfertigenden Notstands“ frei.

Zu Unrecht, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg und gab damit einer Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft statt. Dem Urteil des Amtsrichters sei bereits nicht zu entnehmen, ob durch schnelles Fahren überhaupt hätte verhindert werden können, dass der Fahrgast sich übergibt – bekanntlich ein Reflex, der sich einer willentlichen Beeinflussung entziehe und nicht verzögert werden könne. Auch sei nicht ersichtlich, ob nicht andere Mittel vorhanden gewesen seien, um eine Verunreinigung des Taxis abzuwehren, etwa vorhandene Brechtüten, wie sie in Flugzeugen üblich seien. Schließlich sei es fehlerhaft, wenn das Amtsgericht bei der Interessenabwägung der Sicherheit der Fahrgäste den Vorzug vor dem Lärmschutz eingeräumt habe, denn die Sicherheit der Fahrgäste sei gar nicht tangiert gewesen. Vielmehr hätte zwischen einer zu befürchtenden Verunreinigung des Taxis einerseits und dem Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der Verkehrsregeln sowie dem Schutz der Anwohner vor nächtlicher Lärmbelästigung andererseits abgewogen werden müssen. Und hier sah das Oberlandesgericht keinen Grund, dem Interesse des Taxifahrers an einem sauberen Fahrzeug ein wesentliches Überwiegen zuzubilligen. Beförderungspflicht hin oder her: Ein Taxifahrer handele gegen seine eigenen Interessen, wenn er zur Oktoberfestzeit erkennbar betrunkene Gäste aufnehme, ohne Vorsorge für den „Notfall“ etwa durch Bereithalten von Brechtüten getroffen zu haben. Ein Verkehrsverstoß sei unter diesen Umständen nicht gerechtfertigt, befanden die Bamberger Richter und hoben das Urteil des Amtsgerichts auf. Dieses muss nun neu entscheiden (OLG Bamberg, 3 Ss OWi 1130/13).


Ordnungswidrigkeit:

Minisattelzug unter 7,5 t fällt nicht unter das Sonntagsfahrverbot

Ein Minisattelzug unter 7,5 t fällt nicht unter das Sonntagsfahrverbot.

Das ist das Ergebnis eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens vor dem Amtsgericht Siegen. Betroffen war ein Lkw-Fahrer, der einen Minisattelzug an einem Sonntag gefahren hatte. Gegen den hierfür erlassenen Bußgeldbescheid konnte er erfolgreich vor Gericht vorgehen. Das Amtsgericht erläuterte in seiner Entscheidung noch einmal die Vorschriften zum Sonntagsfahrverbot nach der Straßenverkehrsordnung. Danach dürfen Lkw über 7,5 t sowie Lkw, die einen Anhänger führen unabhängig von ihrem Gewicht an Sonntagen nicht im öffentlichen Straßenverkehr genutzt werden. Ein Sattelzug wird dabei wie ein Lkw ohne Anhänger behandelt. Wiegt er unter 7,5 t, darf er sonntags genutzt werden. Unerheblich ist dabei die Bezeichnung als Sattelanhänger, da kein technischer Unterschied zwischen Sattelauflieger und Sattelanhänger besteht (AG Siegen, 431 OWi 851/12).

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