Arbeitsrecht Info - 03.2021

4.03.2021
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Betriebsänderung:

In diesem Fall gibt es auch bei Eigenkündigung eine Abfindung

| Scheiden anlässlich einer Betriebsänderung Arbeitnehmer durch Eigenkündigung aus dem Unternehmen aus, sind sie wie die von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer abfindungsberechtigt. Voraussetzung: Die Eigenkündigung wurde durch den Arbeitgeber veranlasst. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg entschieden. |

Dies ist nach dem Urteil der Fall, wenn der Arbeitgeber bei dem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der Eigenkündigung komme er einer sonst notwendig bevorstehenden betriebsbedingten Kündigung zuvor. Aber Achtung: Beweisen muss das der Arbeitnehmer.

Quelle | LAG Nürnberg, Urteil vom 27.10.2020, 7 Sa 157/20, Abruf-Nr. 219767 unter www.iww.de


Diebstahl am Arbeitsplatz:

Kündigung wegen einem Liter Desinfektionsmittel rechtmäßig

| Eine Kündigungsschutzklage haben sowohl das Arbeitsgericht (AG) als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf abgewiesen. Die Entwendung von Desinfektionsmittel und Papierhandtüchern führte im vorliegenden Fall zu einer berechtigten fristlosen Kündigung. |

Sachverhalt

Der Kläger war seit 2004 bei einem Paketzustellunternehmen, der Beklagten, als Be- und Entlader sowie Wäscher für die Fahrzeuge beschäftigt. Bei einer stichprobenartigen Ausfahrtkontrolle fand der Werkschutz im Kofferraum des Klägers eine nicht angebrochene Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel und eine Handtuchrolle (Wert: ca. 40 Euro). Es kam damals bei der beklagten Arbeitgeberin immer wieder vor, dass Desinfektionsmittel entwendet wurde. Der Betriebsrat stimmte der fristlosen Kündigung des Klägers zu, die die Beklagte dann aussprach. Die Kündigungsschutzklage des Klägers hatte keinen Erfolg.

So argumentierte der Arbeitnehmer

Er habe sich während der Arbeit jede Stunde zu seinem Fahrzeug begeben, um die Hände zu desinfizieren und abzutrocknen, behauptete der Kläger. Er habe das Mittel für sich und eventuell seine Kollegen verwenden wollen, zumal dieses in den Waschräumen nicht immer verfügbar gewesen sei. Bei der Ausfahrt habe er an die Sachen im Kofferraum nicht mehr gedacht. Er müsse kein Desinfektionsmittel stehlen, weil seine Frau in der Pflege arbeite und die Familie über sie ausreichend versorgt sei.

Arbeitgeberin untersagte Mitnahme von Desinfektionsmittel

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe dem Werkschutz gesagt, dass er das Desinfektionsmittel habe mitnehmen dürfen, um sich unterwegs die Hände zu desinfizieren. Sie habe jedoch mit Aushängen im Sanitärbereich darauf hingewiesen, dass das Mitnehmen von Desinfektionsmitteln eine fristlose Kündigung und Anzeige zur Folge habe.

Fristlose Kündigung: Wichtiger Grund lag vor

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat, wie bereits das Arbeitsgericht, die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Es liegt ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Die Einlassungen des Klägers sind nicht glaubhaft. Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger sich das Desinfektionsmittel angeeignet hat, um es selbst zu verbrauchen. Wenn er es während der Schicht habe benutzen wollen, hätte es nahegelegen, das Desinfektionsmittel auf den Materialwagen am Arbeitsplatz zu stellen, zumal in der Nacht nur sechs bis sieben Kollegen arbeiteten. Es ist zudem nicht nachvollziehbar, dass er das Desinfektionsmittel auch für die Kollegen verwenden wollte, denn weder hatte er ihnen gesagt, wo er das Desinfektionsmittel aufbewahrt, noch ihnen den Autoschlüssel gegeben, damit sie es benutzen können. Schließlich war die aufgefundene Flasche nicht angebrochen.

Trotz der langen Beschäftigungszeit war keine vorherige Abmahnung erforderlich. Der Kläger hat in einer Zeit der Pandemie, als Desinfektionsmittel Mangelware war und in Kenntnis davon, dass auch die Beklagte mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hatte, eine nicht geringe Menge Desinfektionsmittel entwendet. Damit hat er zugleich in Kauf genommen, dass seine Kollegen leer ausgingen. Daher musste ihm klar sein, dass er mit der Entwendung von einem Liter Desinfektionsmittel den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdete.

Das LAG hat die Revision nicht zugelassen.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 14.1.2021, 5 Sa 483/20, PM vom 14.1.2021


Urlaubsabgeltung:

Urlaubsansprüche verfallen auch bei Dienstunfähigkeit

| Der Urlaubsanspruch verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahrs nicht genommen wird. Ein unbegrenztes Sammeln von Urlaubsansprüchen ist nicht möglich. Zu diesem Schluss kommt das Verwaltungsgericht (VG) Trier. |

Der Kläger, ein Beamter, war aufgrund eines Dienstunfalls seit Ende Januar 2017 dienstunfähig krank. 2019 wurde er vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Anschließend beantragte er, seinen Resturlaub finanziell abzugelten. Dies lehnte der beklagte Dienstherr für 2017 ab. Der Urlaubsanspruch sei verfallen. Der Kläger meinte hingegen, nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gelte dies nur, wenn der Beklagte ihn auf die Folgen fehlender Urlaubsanträge bei dauerhafter Erkrankung hingewiesen hätte, was nicht geschehen sei. Das sah das VG jedoch anders.

Der Urlaubsanspruch des Klägers sei verfallen und zwar auch nach der Rechtsprechung des EuGH , wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahrs nicht genommen werde. Es gäbe, so das VG, kein Recht auf unbegrenztes Sammeln von Urlaubsansprüchen. Werde eine gewisse zeitliche Grenze überschritten, habe der Jahresurlaub keine positive (Erholungs-)Wirkung mehr für den Beschäftigten.

Auch die mangelnde Aufklärung durch den Beklagten ändere nichts am Verfall des Urlaubs. Denn nicht diese habe den Kläger daran gehindert, Urlaub zu nehmen, sondern allein dessen Krankheit. Dieser Grundsatz gelte auch für die Zeit der Wiedereingliederungsmaßnahme.

Quelle | VG Trier, Urteil vom 8.12.2020, 7 K 2761/20.TR


Stellenausschreibung:

Alterseinschränkung für persönliche Assistentin einer schwerbehinderten Frau

| Eine Stellenausschreibung benachteiligt eine Bewerberin um eine Anstellung als „Persönliche Assistentin“ einer schwerbehinderten Frau zwar wegen ihres Alters, wenn ein bestimmtes Alter gewünscht und genannt wird. Die hohen beruflichen Anforderungen der Tätigkeit rechtfertigen dies aber. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |

Sachverhalt

Die Beklagte ist ein Assistenzdienst, der behinderte Menschen in allen Belangen rund um das Thema „Persönliche Assistenz“ unterstützt. Durch „Persönliche Assistenten“ sollen Menschen mit Behinderungen ihr Leben selbstbestimmt leben, unabhängig von ihren körperlichen, geistigen und/oder seelischen Einschränkungen. Die Beklagte berät diese von der Beantragung des Budgets bis hin zur Bewilligung durch den Kostenträger. Ferner steht sie ihnen bei der Mitarbeitersuche zur Seite. Dies betrifft unterschiedliche Dienste, wie etwa Arbeitsassistenz, Alltagsassistenz, Freizeitassistenz, Elternassistenz, Studienassistenz oder auch 24-Stunden-Assistenz. Im Rahmen der Unterstützung bei der Mitarbeitersuche betreibt die Beklagte als Stellenmarkt auch ein Internetportal. Die behinderten Menschen können dort ein Stellenangebot inserieren. Die Beklagte stellt ihnen vorab einen Fragebogen zur Verfügung, in dem sie Wünsche im Hinblick auf die Person des Assistenten angeben können, wie etwa Geschlecht oder Alter. Bei erfolgreicher Vermittlung schließen die behinderten Menschen einen Dienstleistungsvertrag und die Assistenzperson einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten. Im August 2018 bewarb sich die Klägerin auf eine Stellenausschreibung im o. g. Internetportal der Beklagten. Hierin suchte eine 28jährige schwerbehinderte Studentin eine „Persönliche Assistentin“ in allen Lebensbereichen des Alltags, die am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt sein sollte. Die Beklagte wies die Bewerbung der 50 Jahre alten Klägerin mit der Begründung zurück, sie habe sich aufgrund der hohen Anzahl von Bewerbern für einen anderen Bewerber entschieden.

So entschied das Arbeitsgericht

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe eines potenziellen Bruttomonatsengelts von 1.770 Euro zu zahlen. Denn durch die Stellenausschreibung werde die Klägerin wegen ihres Alters ungerechtfertigt benachteiligt. Das Alter stelle keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Assistenz eines behinderten Menschen dar. Die Beklagte könne sich nicht auf das Selbstbestimmungsrecht des behinderten Menschen berufen, denn dessen Selbstbestimmungsrecht werde nicht berührt. Bei persönlichen Assistenzleistungen komme es in erster Linie auf die vom Alter unabhängige zwischenmenschliche Beziehung und Empathie an.

Andere Sichtweise der höheren Instanz

Das sah das LAG anders. Zwar benachteilige die Stellenausschreibung die Klägerin wegen ihres Alters. Dies sei hier aber aufgrund der beruflichen Anforderungen der Tätigkeit der persönlichen Assistenz gerechtfertigt. Die Beklagte verfolge mit der Anstellung „Persönlicher Assistenten“, deren Anforderungsprofil individuell von dem behinderten Menschen vorgegeben wird und deren Beschäftigung zur Erfüllung dieser Vorgaben erfolgt, auch sozialpolitische Ziele, die im Allgemeininteresse liegen. Die Realisierung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung liegt im Allgemeininteresse. Assistenzleistungen sind ein vom Gesetzgeber anerkanntes Mittel zur Verwirklichung des sozialpolitischen Ziels. Das Instrument der „Persönlichen Assistenz“ ist ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Realisierung des Ziels, das die Klägerin nicht übermäßig benachteiligt, da ihr die Beschäftigung in anderen Formen der Assistenz verbleibt.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 27.5.2020, 11 Sa 284/19, Abruf-Nr. 218706 unter www.iww.de

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