Arbeitsrecht Info - 11.2014

Haftungsrecht:

Verantwortlicher Vorgesetzter kann auch ohne Vorsatz für Arbeitsunfall haften

| Werden Arbeitnehmer vorübergehend einem anderen Unternehmen zur Durchführung von Montagearbeiten auf einer Baustelle überlassen, hat der dortige Vorgesetzte die Pflicht, keine Tätigkeiten zuzuweisen, bei denen mangels berufsgenossenschaftlich vorgeschriebener Schutzmaßnahmen die Gefahr von Gesundheitsschäden besteht. Lässt er die Arbeiter entgegen eindeutiger Sicherheitsbestimmungen ungesichert auf dem Dach arbeiten und kommt es dabei zu einem Unfall, kann dies dazu führen, dass der zuständige Sozialversicherungsträger seine unfallbedingt an den Geschädigten geleisteten Aufwendungen vom Vorgesetzten ersetzt verlangen kann. |

Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden und damit die vorangehende Entscheidung des Landgerichts (LG) Mainz bestätigt, das den beklagten Vorgesetzten zur Zahlung von insgesamt 942.436,13 EUR verurteilt hatte. Die klagende Berufsgenossenschaft beansprucht Ersatz ihrer Aufwendungen, die ihr infolge eines Arbeitsunfalls ihres Versicherten entstanden sind. Die mit der Errichtung des Dachs eines Kantinengebäudes beauftragte Arbeitgeberin des Beklagten verfügte nicht über genügend eigenes Montagepersonal. Die Arbeitgeberin des Geschädigten stellte ihr daher zwei ihrer Arbeitnehmer – darunter den Geschädigten selbst – für die durchzuführenden Arbeiten zur Verfügung. Verantwortlicher auf der Baustelle war der Beklagte. Bei den Arbeiten verlor der Geschädigte das Gleichgewicht und stürzte von einer Mauer 5,50 m tief auf den darunter befindlichen Betonboden. Er zog sich schwerste Schädel- und Wirbelverletzungen zu und ist seitdem querschnittsgelähmt. Die Unfallstelle war zum Unfallzeitpunkt nur in einzelnen Teilflächen mit Sicherheitsnetzen gegen Abstürze gesichert und entsprach nicht den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften. Hierauf war der Beklagte kurz vor dem Unfall ausdrücklich hingewiesen worden. Das LG Mainz hat der Klage auf Ersatz der überwiegend für Heilbehandlung und Berufshilfe geleisteten Aufwendungen sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Aufwendungen stattgegeben.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung hat das OLG nun zurückgewiesen. Der Beklagte habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt und hafte gegenüber dem Sozialversicherungsträger im Wege des Rückgriffs. Er sei als Verantwortlicher in der konkreten Situation verpflichtet gewesen, den ihm unterstellten Arbeitnehmern keine die Gesundheit gefährdenden Arbeiten zuzuweisen. Die Verpflichtung bestehe auch gegenüber Arbeitnehmern eines anderen Unternehmens, wenn sie im Rahmen einer vorübergehenden Tätigkeit im Betrieb eingesetzt würden. Seine Sorgfaltspflichten habe der Beklagte in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Dem geschädigten Arbeitnehmer sei kein Mitverschulden anzulasten, da er lediglich einer Anordnung seines weisungsbefugten Vorgesetzten entsprochen habe. Die Haftung des Beklagten werde auch nicht durch arbeitsrechtliche Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung relativiert. Soweit die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung im Einzelfall im Hinblick auf ein mögliches Missverhältnis zwischen dem Verdienst des haftenden Arbeitnehmers – hier des Beklagten – und dem Schadensrisiko seiner Tätigkeit bzw. einer ihm drohenden wirtschaftlichen Existenzgefährdung Haftungserleichterungen in Betracht ziehe, bedürfe es der Heranziehung dieser Grundsätze nicht. Denn der Sozialversicherungsträger könne nach seinem Ermessen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers auf Ersatzansprüche ganz oder teilweise verzichten. Aktuell gebe es für die klagende Berufsgenossenschaft aber auch keinen Anlass für einen derartigen Verzicht, da der Betriebshaftpflichtversicherer der Arbeitgeberin des Beklagten für den vom Beklagten verursachten Schaden einzutreten habe.

Quelle | OLG Koblenz, Urteil vom 22.5.2014, 2 U 574/12, Abruf-Nr. 142805 unter www.iww.de.


Überstunden:

Wer Überstunden duldet, muss sie auch bezahlen

| Wenn ein Arbeitgeber Überstunden seines Arbeitnehmers duldet, macht er damit deutlich, dass er diese in Kenntnis einer Überstundenleistung entgegennimmt. |

Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in einem Rechtsstreit zum Thema Überstunden hin. Treffe der Arbeitgeber auch in der Zukunft keine Vorkehrungen dafür, weitere Überstunden zu unterbinden, nehme er sie auch weiterhin entgegen. Damit eröffne er dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Überstundenvergütung.

HINWEIS | Der Arbeitnehmer kann die von ihm geleisteten Überstunden in einem Prozess nachweisen, indem er eine Liste vorlegt, aus der sich die von ihm behauptete Arbeitszeit für die einzelnen Tage und eine entsprechende Saldierung auf den Monat bezogen ergibt.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.1.2014, 2 Sa 180/13, Abruf-Nr. 142431 unter www.iww.de.


Versetzung:

Abordnung von Wachkräften des Bundesbeauftragten für Stasiunterlagen

| Ein bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR als Wachmann beschäftigter ehemaliger Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes kann auch gegen seinen Willen zum Bundesverwaltungsamt abgeordnet werden. |

Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg entschieden und damit ein Urteil des Arbeitsgerichts Berlin bestätigt. Dieses hatte den Antrag des Betroffenen auf Erlass einer gegen die Abordnung gerichteten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Das LAG gelangte zu der Auffassung, dass der Bundesbeauftragte die Abordnung auf das arbeitgeberseitige Direktionsrecht stützen könne. Schutzwürdige Interessen des Betroffenen stünden dem nicht entgegen. Auf die vom Betroffenen bestrittene Verfassungsmäßigkeit des § 37a Stasiunterlagengesetz, wonach ehemalige Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, die beim Bundesbeauftragten beschäftigt sind, unter Berücksichtigung sozialer Belange auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz innerhalb der Bundesverwaltung zu versetzen sind, käme es daher nicht an.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.9.2014, 15 SaGa 1468/14, Abruf-Nr. 142806 unter www.iww.de.


Kündigungsrecht:

Verhaltensbedingte Kündigung eines Lehrlings ist erst nach vorheriger Abmahnung möglich

| Wenn eine Auszubildende kurz vor dem Ende der Ausbildung zwei Wochen unentschuldigt fehlt, kommt eine fristlose Kündigung erst nach vorheriger Abmahnung in Betracht. |

Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln im Fall einer Auszubildenden als Goldschmiedin entschieden. Sie fehlte im Anschluss an eine Erkrankung zwei Wochen unentschuldigt. Ihr Arbeitgeber hatte sie für die Zeit der Krankheit abgemahnt, weil er die Krankheit bezweifelte. Als sie anschließend zwei Wochen unentschuldigt fehlte, erklärte er die fristlose Kündigung.

In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass unentschuldigtes Fehlen von über zwei Wochen eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstelle. Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung sei allerdings die zum Zeitpunkt der Kündigung bereits zurückgelegte Ausbildungszeit im Verhältnis zur Gesamtdauer der Ausbildung einzubeziehen. Kurz vor der Abschlussprüfung sei eine fristlose Kündigung von Auszubildenden nur bei besonders gravierenden Verfehlungen zulässig. Es könne dabei nicht von den Maßstäben ausgegangen werden, die bei Erwachsenen in einem Arbeitsverhältnis anzulegen sind. Jugendliche und Heranwachsende Auszubildende verfügten noch nicht über eine abgeschlossene geistige, charakterliche und körperliche Entwicklung. Deren Förderung gehöre auch zu den Aufgaben der Ausbildung. Daher sei eine Kündigung nur nach vorheriger Abmahnung gerechtfertigt. Da die vorangegangene Abmahnung, die sich auf die nachgewiesene Krankheit bezogen habe, unberechtigt gewesen sei, habe sie keine Wirkung für die anschließende Fehlzeit entfalten können. Die Kündigung sei daher unwirksam gewesen.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 22.1.2013, 11 Sa 783/12, Abruf-Nr. 142804 unter www.iww.de.

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