Baurecht Info - 02.2022

2.02.2022
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Milieuschutz:

Gemeindliches Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung

| Das Vorkaufsrecht für ein Grundstück, das im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung bzw. -verordnung liegt, darf von der Gemeinde nicht auf der Grundlage der Annahme ausgeübt werden, dass der Käufer in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |

Die Klägerin, eine Immobiliengesellschaft, wendet sich gegen die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts. Sie erwarb ein im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gelegenes Grundstück, das mit einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1889 bebaut ist, in dem sich 20 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten befinden. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich einer Verordnung, die dem Schutz der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen dient (sog. Milieuschutzsatzung). Das Bezirksamt übte das Vorkaufsrecht zugunsten einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft aus, um der Gefahr zu begegnen, dass ein Teil der Wohnbevölkerung aus dem Gebiet verdrängt wird, wenn im Anschluss an die Veräußerung die Wohnungen aufgewertet und die Mieten erhöht oder die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt würden.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat ausgeführt, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertige. Die sozialen Erhaltungsziele würden gefördert. Werde das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt, seien nach Lage der Dinge die vom Bezirksamt geschilderten erhaltungswidrigen Entwicklungen zu befürchten. Ein gesetzlicher Ausschlussgrund für die Ausübung des Vorkaufsrechts liege nicht vor; die zu erwartenden Nutzungen des Erwerbers seien ebenfalls zu berücksichtigen.

Das BVerwG ist dem nicht gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte durfte sein Vorkaufsrecht für das im Geltungsbereich einer Erhaltungsverordnung gelegene Grundstück nicht ausüben. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist nämlich ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel aufweist. Diese Voraussetzungen liegen vor, so das BVerwG.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 9.11.2021, 4 C 1.20, PM 70/21


Stadt Koblenz:

Nachbarklage gegen Swingerclub erfolglos

| Die Nachbarn eines Swingerclubs und einer angrenzenden Gaststätte haben keinen Anspruch auf ein gaststätten- bzw. immissionsschutzrechtliches Einschreiten der Stadt Koblenz gegen deren Betrieb. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz. |

Die Kläger, die ein Wohngebäude außerhalb der Ortslage eines Koblenzer Stadtteils bewohnen, sind Nachbarn der o. g. Betriebe, die sich in einem aus zwei Häusern bestehenden Gebäudekomplex befinden. Für den Betrieb des Swinger-Clubs erteilte die Stadt Koblenz im Jahr 2002 eine zunächst gaststättenrechtliche Erlaubnis als „Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit“. Nach Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung für die Nutzungsänderung wird dieser spätestens seit Mai 2006 in erster Linie als Swingerclub betrieben. Die gaststättenrechtliche Erlaubnis blieb jedoch zunächst unverändert. Im Jahr 2014 erteilte die Stadt Koblenz eine Gaststättenerlaubnis zur Weiterführung eines anderen Etablissements unter neuem Namen für den Betrieb einer „Schankwirtschaft mit Musikdarbietungen“. Beide gaststättenrechtlichen Erlaubnisse wurden mit der Auflage versehen, dass der vom Betrieb ausgehende Lärmpegel nicht zu einer Überschreitung des Immissionsrichtwertes von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) führen dürfe und zwar gemessen 0,5 Meter vor dem vom Lärm am stärksten betroffenen Fenster des nächstgelegenen Wohnhauses.

Insbesondere seit dem Jahr 2015 beschwerten sich die Kläger wiederholt bei der Stadt Koblenz über Lärm und sonstige Belästigungen, die von den Betrieben ausgehen würden. Ihren Antrag vom Februar 2019 auf Einschreiten gegen die beiden Betriebe lehnte die Stadt ab, da unzumutbare Einwirkungen durch den Betrieb nicht feststellbar seien. Dies belegten die zahlreichen von ihr durchgeführten Kontrollen. Gegen die bereits erteilten Auflagen hätten die Betreiber nicht verstoßen.

Nach Zurückweisung ihres Widerspruchs verfolgten die Kläger ihr Begehren auf Einschreiten gegen den Betrieb. Das Verwaltungsgericht (VG) gab den Klagen statt und verpflichtete die beklagte Stadt, geeignete gaststättenrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Kläger vor den Immissionen zu ergreifen, die von dem Gaststättenbetrieb ausgingen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der tatsächliche Betrieb der o. g. Häuser sei von den bestehenden gaststättenrechtlichen Erlaubnissen nicht gedeckt. Den Klägern stehe aufgrund festzustellender Lärm- und sonstiger Belästigungen auch ein subjektiver Rechtsanspruch auf ein gaststättenrechtliches Einschreiten zu.

Nach Erlass der Urteile erteilte die Beklagte eine Änderungserlaubnis zum Betrieb einer „Schank- und Speisewirtschaft im Rahmen eines Swinger-Clubs“. Auf die Berufung der Beklagten hob das Oberverwaltungsgericht (OVG) die erstinstanzlichen Urteile auf und wies die Klagen ab.

Der tatsächliche Betrieb der beiden Gaststätten sei von der derzeit bestehenden gaststättenrechtlichen Erlaubnislage zwar nicht gedeckt, in Ermangelung eines Verstoßes gegen nachbarschützende Normen könnten die Kläger jedoch keinen Anspruch auf behördliches Tätigwerden herleiten.

Allein auf die formelle Illegalität des Gaststättenbetriebs könne ein Anspruch der Kläger auf gaststätten- oder immissionsbehördliches Einschreiten nicht gestützt werden. Vielmehr bedürfe es eines Verstoßes gegen materielle nachbarschützende Normen, um hieraus einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Einschreiten ableiten zu können. Ein solcher Verstoß sei hier nicht feststellbar.

Der Hinweis auf „naturgemäß subjektive“ Nachbarbeschwerden vermöge objektiv nachvollziehbare Feststellungen nicht zu ersetzen. Für weitergehende Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung habe aufgrund der fehlenden konkreten Anknüpfungstatsachen kein Bedarf bestanden. Durchgreifende Anhaltspunkte für sonstige erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen lägen ebenfalls nicht vor.

Quelle | OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 23.11.2021, 6 A 10687/21.OVG und 6 A 10689/21.OVG, PM 26/2021

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