Familienrecht Info - 05.2021

6.05.2021
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Elterliche Sorge:

Wenn die Eltern über Schutzimpfungen des Kindes uneinig sind …

| Die Entscheidung über das Durchführen von Schutzimpfungen für ein gemeinsames Kind kann bei Uneinigkeit der Eltern auf den Elternteil übertragen werden, der seine Haltung an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) orientiert. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. wies daher die Beschwerde eines Vaters zurück. |

Sachverhalt

Die Eltern eines 2018 geborenen Kindes üben gemeinsam die elterliche Sorge aus. Die Mutter möchte das Kind gemäß den Empfehlungen der STIKO impfen lassen. Der Vater ist damit nicht einverstanden und verlangt eine gerichtliche Prüfung der Impffähigkeit des Kindes. Die Mutter hat deshalb vor dem Amtsgericht (AG) beantragt, ihr die Entscheidungsbefugnis über Standardimpfungen zu übertragen. Diesem Antrag hat das AG stattgegeben.

Kindeswohl im Blick

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Wenn sich Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, kann auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen werden. Die Entscheidung über das Durchführen von Schutzimpfungen sei eine derartige Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, stellt das OLG fest. Dabei sei die Entscheidungskompetenz dem Elternteil zu übertragen, „dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird“. Gehe es um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, sei die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der insoweit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolge.

Empfehlungen der Ständigen Impfkommission ersetzt Gerichtsgutachten

Bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Schutzimpfungen auf einen Elternteil könne nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich maßgeblich darauf abgestellt werden, „dass ein Elternteil Impfungen offen gegenübersteht und seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert, ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf, wenn im Einzelfall kein Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht“.

Es könne davon ausgegangen werden, „dass eine an den Empfehlungen der STIKO orientierte Entscheidung der Kindesmutter über vorzunehmende Impfungen im Ausgangspunkt das für das Kindeswohl bessere Konzept im Sinne der Rechtsprechung darstellt“, begründet das OLG. Bei der Abwägung zwischen Risiken im Fall einer Impfung und Risiken bei unterbleibender Impfung könne die Entscheidung auf den Elternteil übertragen werden, der den fachlichen Empfehlungen der STIKO folge. Diesen Empfehlungen komme die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu.

Da nach den Empfehlungen der STIKO die Impffähigkeit in der konkreten Situation unter Berücksichtigung etwaiger Kontraindikationen ärztlich zu prüfen sei, bedürfe es auch keiner allgemeinen, unabhängig von einer konkreten Impfung vorzunehmenden gerichtlichen Aufklärung der Impffähigkeit des Kindes. Der Sorge des Vaters um die körperliche Unversehrtheit des Kindes im Hinblick auf den Impfvorgang selbst trügen die Empfehlungen der STIKO ebenfalls Rechnung. Für den Impfvorgang werde von der STIKO eine am Kindeswohl orientierte Vorgehensweise mit im Einzelnen dargestellten Handlungsvorschlägen empfohlen. Dass diese Empfehlungen vorliegend unzureichend seien, sei weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8.3.2021, 6 UF 3/21, PM Nr. 18/2021 vom 18.3.2021


Ehescheidung:

Zeitliche Grenze des Anspruchs auf nachehezeitliche Überlassung der Ehewohnung

| Der Bundesgerichtshof (BGH) musste jetzt die Frage beantworten, wie lange nach Rechtskraft der Scheidung ein Ehegatte vom anderen die Überlassung der Ehewohnung verlangen kann, wenn diese im Alleineigentum des anderen Ehegatten steht. |

Die Beteiligten bewohnten während ihrer Ehe gemeinsam eine Wohnung, die im Alleineigentum des Antragstellers steht. Seit der Trennung im Jahr 2014 und auch über die seit Dezember 2015 rechtskräftige Scheidung hinaus nutzt die Antragsgegnerin die Wohnung allein. Die Antragsgegnerin war ursprünglich Alleineigentümerin einer anderen, im selben Haus gelegenen Wohnung, die sie im Jahr 2016 unentgeltlich auf einen Sohn übertrug. Sie zahlt an den Antragsteller weder Miete oder Nutzungsentschädigung noch trägt sie die verbrauchsabhängigen Kosten. Zahlungsaufforderungen des Antragstellers sind ebenso erfolglos geblieben wie sein Herausgabeverlangen. Der Antragsteller hat beim Amtsgericht (AG) einen Räumungs- und Herausgabeantrag gestellt. Diesem hat das AG mit einer Räumungsfrist entsprochen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Der BGH hat auch die dagegen von der Antragsgegnerin eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Zwar ist der aus dem Eigentum folgende Herausgabeanspruch eines Ehegatten auch nach Rechtskraft der Scheidung nicht durchsetzbar, solange das Ehewohnungsverfahren eröffnet ist. Ob es sich (noch) um eine Ehewohnung handelt, ist dabei nach der Situation im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung zu beurteilen. Das Ehewohnungsverfahren ist jedoch immer eröffnet, wenn es sich bei den Räumen auch während des Getrenntlebens in rechtlicher Hinsicht um die Ehewohnung gehandelt hat.

Diese Sperrwirkung ist im Ergebnis aber zeitlich begrenzt. Denn ein Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung erlöschen nicht nur die Ansprüche auf Eintritt in ein Mietverhältnis oder auf seine Begründung, sondern auch diejenigen auf Überlassung der Ehewohnung, wenn sie nicht vorher rechtshängig gemacht worden sind.

Im Fall des BGH war die Jahresfrist längst abgelaufen, ohne dass die Antragsgegnerin Ansprüche auf Überlassung der Ehewohnung gerichtlich geltend gemacht hat. Da ihr auch nicht aus anderen Gründen, etwa einer sonstigen Vereinbarung zwischen den Beteiligten, ein Recht zum Besitz an der Wohnung zusteht, war sie verpflichtet, die Wohnung herauszugeben.

Quelle | BGH, Beschluss vom 10.3.2021, XII ZB 243/20, PM Nr. 51/21


Aufsichtspflichtverletzung:

Dreijähriges Kind von Pferd getreten: Haften die Eltern?

| Beim Besuch eines Reitturniers müssen Eltern ihr drei Jahre altes Kleinkind so beaufsichtigen, dass es nicht aus dem Blick gelassen wird und ggf. sofort an die Hand genommen werden kann. Erst ab einem Alter von vier Jahren gibt es einen Freiraum, wobei aber eine regelmäßige Kontrolle in kurzen Zeitabständen für erforderlich gehalten wird. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Fall, in dem ein kleines Kind in einen Pferdetransporter geklettert und vom Huf eines Pferdes am Kopf getroffen worden war. |

Der BGH: Eltern müssen bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber zwar nur für die Sorgfalt einstehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Für grobe Fahrlässigkeit haften sie aber stets. Der Umfang der Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter. Die Grenze richtet sich danach, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen zu verhindern.

Bei einem Reitturnier darf Kindern ohne ausreichendes Gefahren- und Verantwortungsbewusstsein kein Freiraum gewährt werden, der es ihnen ermöglicht, in einen Pferdetransporter oder -anhänger von Turnierteilnehmern zu gelangen. Klettert ein nicht beaufsichtigtes dreijähriges Kind in einen Pferdetransporter und wird dort von einem Pferd getreten, haften Eltern und Pferdehalter als Gesamtschuldner, d.h. gemeinsam. Im Innenverhältnis, also zwischen Eltern und Pferdehalter, hafteten die Eltern in diesem Fall allein. Denn die Pferdehalter durften sich auf eine hinreichende Beaufsichtigung von Kindern verlassen.

Quelle | BGH, Urteil vom 19.1.2021, VI ZR 210/18, Abruf-Nr. 220534 unter www.iww.de

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