Steuerrecht Info - 12.2021

6.12.2021
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Steuernachzahlungen und -erstattungen:

Finanzämter: 6 Prozent verfassungswidrig – vorerst keine Zinsfestsetzungen

| Nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten wird bei Steuernachzahlungen und -erstattungen ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat zugrunde gelegt. Mit Beschluss vom 8.7.2021 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die jährliche 6%ige Verzinsung für Zeiträume seit 2014 für verfassungswidrig erklärt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich nun in einem umfangreichen Schreiben zu Anwendungsfragen geäußert. |

Nach dem Beschluss des BVerfG ist das bisherige Recht für Verzinsungszeiträume vom 1.1.2014 bis zum 31.12.2018 weiter anwendbar. Für Verzinsungszeiträume seit 2019 sind die Vorschriften dagegen unanwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine Neuregelung zu treffen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume seit dem Jahr 2019 erstreckt.

Das Schreiben des Bundesfinanzministeriums enthält folgende Grundsätze:

Zeiträume bis 31.12.2018: Endgültige Festsetzung

Für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 ergeht die Festsetzung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nun endgültig. Die Vorläufigkeit der Zinsfestsetzungen wird also aufgehoben. Werden etwaige Einsprüche hinsichtlich der Verzinsungszeiträume bis 31.12.2018 nicht zurückgenommen, wird der Einspruch (ggf. durch eine Teileinspruchsentscheidung) als unbegründet zurückgewiesen.

Zeiträume seit 1.1.2019: Festsetzung muss nachgeholt werden

Für Verzinsungszeiträume seit dem 1.1.2019 werden erstmalige Festsetzungen von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen ausgesetzt. Die Zinsfestsetzung wird nachgeholt, sobald die Ungewissheit durch eine rückwirkende Gesetzesänderung beseitigt ist.

Bescheide vorläufig

Sind Bescheide vor dem Beschluss des BVerfG ergangen und sind diese noch nicht endgültig, bleiben sie grundsätzlich weiterhin vorläufig, d. h., bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber.

Beachten Sie | Die Unvereinbarkeitserklärung erstreckt sich nicht auf andere Verzinsungstatbestände der Abgabenordnung, so z. B. nicht auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen.

Quelle | BMF-Schreiben vom 17.9.2021, IV A 3 – S 0338/19/10004 :005, Abruf-Nr. 225224 unter www.iww.de


Steuernachforderung:

Keine Rückstellung im Steuerentstehungsjahr

| Für die Nachforderung nicht hinterzogener Steuern kann im Steuerentstehungsjahr noch keine Rückstellung gebildet werden. Auch die Bildung einer Rückstellung für Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung kommt bei einem Klein- bzw. Kleinstbetrieb vor Beginn der Prüfung regelmäßig nicht in Betracht. Dies hat aktuell das Finanzgericht (FG) Münster entschieden. |

Sachverhalt

Ein Taxiunternehmen in der Rechtsform einer GmbH wurde nach der Betriebsprüfungsordnung bis 2012 als Kleinst- und ab 2013 als Kleinbetrieb eingestuft. 2017 führte das Finanzamt eine Lohnsteueraußenprüfung für 2013 und 2014 und eine Betriebsprüfung für 2012 bis 2014 als Kombiprüfung durch. Dies führte zu höheren Umsätzen und Gewinnen sowie zu zusätzlichen Arbeitslöhnen.

Daraufhin wollte das Taxiunternehmen für 2012 eine Rückstellung für zusätzlichen Steuerberatungsaufwand im Zusammenhang mit der Prüfung und für 2014 eine Rückstellung für die Lohnsteuerhaftungsbeträge bilden. Doch beides lehnte das Finanzamt ab. Auch das FG Münster versagte in beiden Punkten die Bildung von Rückstellungen.

Auslösendes Ereignis für Aufwendungen = Betriebsprüfung

Für den zusätzlichen Beratungsaufwand konnte in 2012 noch keine Rückstellung gebildet werden, da das auslösende Ereignis für die Aufwendungen erst die Durchführung der Betriebsprüfung war. Die Prüfungsanordnung für die Betriebsprüfung wurde unter dem 14.2.2017, die für die Lohnsteueraußenprüfung unter dem 24.2.2017 erlassen und die Kombiprüfung nachfolgend ab April 2017 durchgeführt.

Ende 2012 musste das Taxiunternehmen auch noch nicht mit einer späteren Prüfung rechnen, da es als Kleinst- bzw. Kleinbetrieb nicht der Anschlussprüfung unterliegt. Für die Lohnsteuernachforderung wurde durch Haftungsbescheid erst in 2017 eine Zahlungsverpflichtung begründet.

Eine Rückstellung für hinterzogene Steuern kann erst zu dem Bilanzstichtag gebildet werden, zu dem der Steuerpflichtige mit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung rechnen musste. Für nicht hinterzogene Steuern ist diese Frage noch nicht abschließend geklärt.

Nach Meinung des FG Münster ist auch insoweit erst dann eine Rückstellung zu bilden, wenn ernsthaft mit einer quantifizierbaren Inanspruchnahme durch das Finanzamt gerechnet werden kann. Dies war hier frühestens mit Beginn der Prüfung im Jahr 2017 der Fall.

Bundesfinanzhof ist gefragt

In der anhängigen Revision kann der Bundesfinanzhof (BFH) nun klären, ob eine Rückstellung für die Nachforderung nicht hinterzogener Steuerbeträge wegen einer Betriebsprüfung im Jahr der wirtschaftlichen Veranlassung oder in dem Jahr zu bilden ist, in dem der Sachverhalt von der Betriebsprüfung „aufgegriffen” wird.

Quelle | FG Münster, Urteil vom 24.6.2021, 10 K 2084/18, K, G, Rev. BFH, XI R 19/21, Abruf-Nr. 224715 unter www.iww.de


Arbeitgeber:

Elektronische Lohnsteuerbescheinigung 2022

| Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat das Muster für den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung 2022 bekannt gegeben. |

Bei der Ausstellung des Ausdrucks der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung sind die Vorgaben des BMF im Schreiben vom 9.9.2019 zu beachten.

Quelle | BMF vom 18.8.2021, IV C 5 – S 2533/19/10030 :003, Abruf-Nr. 224479 unter www.iww.de; BMF-Schreiben vom 9.9.2019, IV C 5 – S 2378/19/10002 :001, Abruf-Nr. 211214 unter www.iww.de


Keine steuerliche Abzugsbeschränkung:

Pilates-Raum hinter Durchgangszimmer ist Betriebsstätte

| Ein betrieblich genutzter Raum kann wegen seiner Ausstattung von der Abzugsbeschränkung für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann ausgenommen sein, wenn Dritte (Kunden) ein dem privaten Bereich zuzuordnendes Durchgangszimmer durchqueren müssen, um in den Raum zu gelangen. Das hat das Finanzgericht München (FG) bei einer selbstständigen Pilates-Trainerin entschieden. |

Häusliches Arbeitszimmer

Aufwendungen (beispielsweise anteilige Miete, Abschreibungen, Energiekosten) für ein häusliches Arbeitszimmer sind nur in den folgenden Fällen abzugsfähig:

  • bis zu 1.250 Euro jährlich, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht,
  • ohne Höchstgrenze, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

Außerhäusliches Arbeitszimmer oder (häusliche) Betriebsstätte

Liegt jedoch ein außerhäusliches Arbeitszimmer oder eine (häusliche) Betriebsstätte vor, gelten die vorgenannten Abzugsbeschränkungen nicht und die Kosten sind in voller Höhe abzugsfähig. Die Abgrenzung ist oft schwierig und beschäftigt häufig die Gerichte wie zuletzt das FG München.

Abzugsfähigkeit ohne Höchstgrenze

Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, können unbeschränkt abziehbar sein, wenn sie betrieblich bzw. beruflich genutzt werden und sich der betriebliche bzw. berufliche Charakter des Raums und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lassen.

Der für die Abzugsbeschränkung maßgebliche Grund der nicht auszuschließenden privaten Mitbenutzung gilt für diese Räume nicht. Denn bereits aus ihrer Ausstattung (z. B. als Werkstatt) bzw. wegen ihrer Zugänglichkeit durch dritte Personen lässt sich eine private Mitbenutzung ausschließen.

Finanzgericht: Pilates-Zimmer ist betriebsstättenähnlicher Raum

Im konkreten Fall handelte es sich bei dem Pilates-Zimmer nach Ansicht des FG deshalb um einen betriebsstättenähnlichen Raum, weil er als Trainings- und Unterrichtsraum eingerichtet und auch als solcher genutzt wurde. Zwar mussten, soweit die Trainerin dort zusammen mit anderen Trainern arbeitete und Trainings für Kunden anbot, diese ein dem privaten Bereich zuzuordnendes Durchgangszimmer durchqueren. Allerdings war die dadurch gegebene räumliche Verbindung zu den privat genutzten Räumen gering ausgeprägt. Sie fiel angesichts der Ausstattung des Raums und der tatsächlichen betrieblichen Nutzung nicht entscheidend ins Gewicht.

Quelle | FG München, Urteil vom 2.3.2021, 10 K 1251/18, Abruf-Nr. 223940 unter www.iww.de

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