Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 03.2022

2.03.2022
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Finanzverwaltung NRW:

Broschüre „Vereine & Steuern“ aktualisiert

| Das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen hat die Broschüre „Vereine & Steuern“ aktualisiert. Der Ratgeber wendet sich an Vereinsvorstände (insbesondere an Kassenwarte) und behandelt von der Gemeinnützigkeit bis zur Zuwendungsbestätigung wichtige Themen. |

Quelle | Finanzverwaltung NRW, Broschürenservice: „Vereine & Steuern“ vom 24.1.2022, abrufbar unter www.iww.de/s3054


Wettbewerbsrecht:

Werbung für ärztliche Fernbehandlungen

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt geklärt, unter welchen Voraussetzungen für ärztliche Fernbehandlungen geworben werden darf. |

Das war geschehen

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte warb auf ihrer Internetseite mit der Aussage „Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App“ für die von einer privaten Krankenversicherung angebotene Leistung eines „digitalen Arztbesuch“ mittels einer App bei in der Schweiz ansässigen Ärzten. Die Klägerin sieht in dieser Werbung einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

So sahen es die Vorinstanzen

Das Landgericht (LG) hatte der Klage stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist die einschlägige Vorschrift im Heilmittelwerbegesetz (§ 9 HWG) mit Wirkung zum 19.12.2019 ergänzt worden. Danach gilt nun das Werbeverbot für Fernbehandlungen nicht, wenn für die Behandlung nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Das Oberlandesgericht (OLG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.

So entschied der BGH

Der BGH hat entschieden, dass die beanstandete Werbung gegen § 9 HWG in seiner alten und neuen Fassung verstößt. Da es sich bei dieser Vorschrift um eine dem Gesundheitsschutz dienende Marktverhaltensregelung handelt, ist die Beklagte verpflichtet, die Werbung zu unterlassen.

Die Beklagte hat unter Verstoß gegen § 9 HWG in seiner alten Fassung für die Erkennung und Behandlung von Krankheiten geworben, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht. Eine eigene Wahrnehmung im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Arzt den Patienten nicht nur sehen und hören, sondern auch etwa durch Abtasten, Abklopfen oder Abhören oder mit medizinisch-technischen Hilfsmitteln wie beispielsweise Ultraschall untersuchen kann. Das erfordert die gleichzeitige physische Präsenz von Arzt und Patient und ist im Rahmen einer Videosprechstunde nicht möglich.

Allgemein anerkannte fachliche Standards

Nach neuem Recht ist das Verbot zwar nicht auf die Werbung für Fernbehandlungen anzuwenden, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen. Zu diesen Kommunikationsmedien gehören auch Apps. Das gilt aber nur, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Mit den allgemein anerkannten fachlichen Standards sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht die Regelungen des für den behandelnden Arzt geltenden Berufsrechts gemeint. Es kommt daher nicht darauf an, ob die beworbene Fernbehandlung den Ärzten in der Schweiz schon seit Jahren erlaubt ist.

Der Begriff der allgemein anerkannten fachlichen Standards ist vielmehr unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 630a Abs. 2 BGB), der die Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag regelt, und die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auszulegen. Danach können sich solche Standards auch erst im Laufe der Zeit entwickeln und etwa aus den Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften oder den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergeben. Die Beklagte hat für eine umfassende, nicht auf bestimmte Krankheiten oder Beschwerden beschränkte ärztliche Primärversorgung (Diagnose, Therapieempfehlung, Krankschreibung) im Wege der Fernbehandlung geworben. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass eine solche umfassende Fernbehandlung den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemeinen fachlichen Standards entspricht. Da die Beklagte dies auch nicht behauptet hatte und insoweit kein weiterer Sachvortrag zu erwarten war, konnte der BGH abschließend entscheiden, dass die beanstandete Werbung unzulässig ist.

Quelle | BGH, Urteil vom 9.12.2021, I ZR 146/20, PM 224/2021


Verjährung:

Anforderungen an eine Zustellung im Ausland

| Die Zustellung der Klage in einem anderen EU-Mitgliedstaat erfolgt „demnächst“, und ist damit rechtzeitig, wenn der Kläger sie mit einer durch das Gericht einzuholenden Übersetzung beantragt und den vom Gericht angeforderten Auslagenvorschuss unverzüglich einzahlt. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |

Ein Insolvenzverwalter verfolgte in Deutschland gegen eine französische Beklagte einen Insolvenzanfechtungsanspruch. Er hatte die in deutscher Sprache abgefasste Klageschrift kurz vor der Verjährung eingereicht und gebeten, ihm den Gerichtskostenvorschusses für deren Übersetzung und Zustellung mitzuteilen. Anfragen hat er unmittelbar beantwortet und den Vorschuss innerhalb von fünf Tagen eingezahlt. Die Übersetzung hat dann aber beinahe zehn Monate gedauert. Bis zur Zustellung hat es weitere zwei Monate gedauert.

Dem BGH genügte dies für eine verjährungshemmende Zustellung. Diese sei „demnächst“ im Sinne der Zivilprozessordnung (§ 167 ZPO) geschehen.

Quelle | BGH, Urteil vom 25.2.2021, IX ZR 156/19, Abruf-Nr. 221729 unter www.iww.de


Rückerstattungsanspruch:

Lkw-Maut verstößt zum Teil gegen Unionsrecht

| Die Erhebung der Lkw-Maut war in den Jahren 2010 und 2011 teilweise unionsrechtswidrig, weil bei der Berechnung der Mautsätze die Kapitalkosten der Autobahngrundstücke fehlerhaft kalkuliert worden sind. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen entschieden und die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, Mautgebühren an die Kläger teilweise zurückzuerstatten. |

Kläger verlangten Rückerstattung

Die Kläger, die ein Speditionsunternehmen mit Sitz in Polen betrieben, verlangten die Rückerstattung der im Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 18.7.2011 gezahlten Lkw-Maut in Höhe von rund 12.000 Euro.

So entschieden die Instanzen

Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hatte die Klage abgewiesen. Auf Vorlage des OVG hatte der EuGH am 28.1.2020 entschieden, dass nach der EU-Wegekostenrichtlinie die Kosten für die Verkehrspolizei bei der Kalkulation der Lkw-Maut nicht berücksichtigt werden dürfen. Dies war nicht mehr Gegenstand des OVG-Urteils, nachdem die Bundesrepublik den Klägern insoweit die Mautgebühren (rund 424 Euro) zwischenzeitlich erstattet hatte.

Das OVG hat die Bundesrepublik nun verpflichtet, den Klägern weitere 565 Euro an Mautgebühren zu erstatten. Außerdem müssen beide Rückerstattungsbeträge für die Zeit ab Zahlung der Maut bis zum Tag der Erstattung verzinst werden.

EU-Wegekostenrichtlinie

Zur Begründung des Urteils hat das OVG ausgeführt: Die Mautgebühren dürfen nach den Vorgaben der EU-Wegekostenrichtlinie die Infrastrukturkosten nicht überschreiten. Damit ist es nicht vereinbar, wenn bei den Kapitalkosten der Autobahngrundstücke statt mit ihrem Anschaffungswert mit ihrem aktuellen Wiederbeschaffungswert kalkuliert wird. Anders als andere Anlagegüter erleiden Grundstücke keinen Substanzverlust und müssen nicht nach einer gewissen Zeit erneut beschafft werden. Die per Gesetz festgelegten Mautsätze beruhen damit insoweit auf einer fehlerhaften Kalkulation, mit der den Mautzahlern Kosten angelastet werden, die über die Infrastrukturkosten hinausgehen.

Das OVG hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig entscheidet.

Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.2021, 9 A 118/16, PM vom 30.11.2021


Dienstleistungsrecht:

Vergütung für einen Geschäftskontakt

| Die Vermittlung von Geschäftskontakten ohne Förderung konkreter Geschäftsabschlüsse kann Gegenstand eines Geschäftsbesorgungsvertrags sein. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. |

Folge: Es handelt sich dann um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter. Das OLG hat dieses zum Handelsvertretervertrag und zum Maklervertrag abgegrenzt. Es stellt sich daher die Frage, wie eine solche Dienstleistung vergütet wird.

Fehlt es an einer vereinbarten, taxmäßigen oder üblichen Vergütung, ergibt sich eine etwaige Vergütung des Dienstverpflichteten nach dem OLG nicht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 315, 316 BGB), also auf der Grundlage eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Gläubigers, sondern dies sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmen.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 30.9.2021, 18 U 74/20

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