Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 04.2020

3.04.2020
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Rückstellungen:

Zur Anerkennung einer Pensionsrückstellung mit Abfindungsklausel

| Die Prüfung von Pensionszusagen an GmbH-Geschäftsführer steht bei Betriebsprüfungen regelmäßig ganz oben auf der Liste. Denn die damit zusammenhängenden Pensionsrückstellungen werden steuerlich nur anerkannt, wenn gewisse Formalien eingehalten wurden. Aktuell hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) zum Eindeutigkeitsgebot von Abfindungsklauseln in Pensionszusagen geäußert. Die eine Entscheidung fiel zugunsten und die andere zuungunsten der Steuerpflichtigen aus. |

Pensionszusagen sind auch nach dem Eindeutigkeitsgebot anhand der allgemein geltenden Regeln auszulegen, soweit ihr Inhalt nicht klar und eindeutig ist. Lässt sich eine Abfindungsklausel dahin gehend auslegen, dass die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende Sterbetafel trotz fehlender ausdrücklicher Benennung eindeutig bestimmt ist, ist die Pensionsrückstellung steuerrechtlich anzuerkennen.

In einer anderen Entscheidung erkannte der BFH die Rückstellung nicht an. Nach der Abfindungsklausel war die Kapitalabfindung „unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Abfindung gültigen Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen zu berechnen.“ Nach Ansicht des BFH kommen hier sowohl die handelsrechtlichen als auch die steuerrechtlichen Rechnungsgrundlagen in Betracht. Damit besteht eine Unklarheit der Abfindungsoption, die bereits die Voraussetzung des § 6a Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (Verbot schädlicher Kürzungsvorbehalte) betrifft.

Quelle | BFH, Beschluss vom 10.7.2019, XI R 47/17, Abruf-Nr. 211481 unter www.iww.de; BFH, Urteil vom 23.7.2019, XI R 48/17, Abruf-Nr. 211480 unter www.iww.de.


Rückstellungen:

Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Höhe der Rückstellung in der Steuerbilanz

| Mit Ausnahme der Pensionsrückstellungen dürfen Rückstellungen in der Steuerbilanz den handelsrechtlichen Wert nicht übersteigen. Diese Sichtweise der Finanzverwaltung hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun bestätigt. |

Unterschiede können sich u. a. aus dem Abzinsungszeitraum ergeben. Bei Sachleistungsverpflichtungen ist steuerlich der Zeitraum bis zum Erfüllungsbeginn maßgebend. Da handelsrechtlich auf das Ende der Erfüllung abgestellt wird, ergibt sich hier eine höhere Abzinsung und somit ein niedrigerer Wert.

Quelle | BFH, Urteil vom 20.11.2019, XI R 46/17, Abruf-Nr. 214287 unter www.iww.de.


Wettbewerbsrecht:

Keine Haftung für Kundenbewertungen bei Amazon

| Wer seine Produkte auf der Online-Handelsplattform Amazon anbietet, muss für Bewertungen des Produkts durch Kunden grundsätzlich nicht wettbewerbsrechtlich haften. |

So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines Verkäufers, der Kinesiologie-Tapes vertreibt. Er hat in der Vergangenheit damit geworben, dass diese zur Schmerzbehandlung geeignet seien. Das war jedoch medizinisch nicht gesichert nachweisbar. Er hat daher 2013 gegenüber einem eingetragenen Wettbewerbsverein eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Der Verkäufer bietet seine Produkte auch bei der Online-Handelsplattform Amazon an. Dort wird für jedes Produkt über die EAN (European Article Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert. Diese soll sicherstellen, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses Produkts angezeigt werden. Käuferinnen und Käufer können bei Amazon die Produkte bewerten. Amazon weist eine solche Bewertung ohne nähere Prüfung dem unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zu. Das hat zur Folge, dass zu einem Artikel alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu diesem unter Umständen von mehreren Verkäufern angebotenen Produkt abgegeben wurden.

Unter diesem Angebot des Verkäufers waren daher Kundenrezensionen abrufbar, die unter anderem die Hinweise „schmerzlinderndes Tape!“, „This product is perfect for pain…“, „Schnell lässt der Schmerz nach“, „Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“ und „Schmerzen lindern“ enthielten. Amazon lehnt es ab, die Kundenrezensionen zu löschen. Der Wettbewerbsverein verlangt die vorgesehene Vertragsstrafe. Der Verkäufer habe sich die Kundenrezensionen zu eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken müssen. Falls dies nicht möglich sei, dürfe er die Produkte bei Amazon nicht anbieten.

Der BGH hat den Anspruch zurückgewiesen. Den Verkäufer trifft für Kundenbewertungen der von ihm bei Amazon angebotenen Produkte keine wettbewerbsrechtliche Haftung.

Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus dem Verbot, Medizinprodukte mit irreführenden Äußerungen Dritter zu bewerben. Die Kundenbewertungen sind zwar irreführende Äußerungen Dritter. Der Verkäufer hat aber nicht damit geworben. Er hat weder selbst aktiv mit den Bewertungen geworben oder dies veranlasst, noch hat er sich die Kundenbewertungen zu eigen gemacht, indem er die inhaltliche Verantwortung dafür übernommen hat. Die Kundenbewertungen sind vielmehr als solche gekennzeichnet. Sie finden sich bei Amazon getrennt vom Angebot und werden von den Nutzern nicht der Sphäre des Verkäufers zugerechnet.

Der Verkäufer muss eine Irreführung durch die Kundenbewertungen nicht verhindern. Kundenbewertungssysteme sind auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht. Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen zu informieren, wird durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit geschützt. Dieses muss nicht mit dem Rechtsgut der Gesundheit abgewogen werden, weil keine Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung durch die Kinesiologie-Tapes bestehen.

Quelle | BGH, Urteil vom 20.2.2020, I ZR 193/18, Abruf-Nr. 214670 unter www.iww.de.


Kapitalgesellschaften:

Grunderwerbsteuer: Steuervergünstigung für Umwandlungen im Konzern

| Nach der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs stellt die für die Grunderwerbsteuer geltende Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern (§ 6a des Grunderwerbsteuergesetzes [GrEStG]) keine unionsrechtlich verbotene Beihilfe dar. Im Anschluss hat nun der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Vorschrift auch den Fall erfasst, dass eine abhängige Gesellschaft auf ein herrschendes Unternehmen verschmolzen wird. |

Hintergrund 1: Beim Kauf eines Grundstücks wird regelmäßig Grunderwerbsteuer fällig. Nach dem GrEStG beträgt der Steuersatz 3,5 %. Die Bundesländer haben jedoch die Möglichkeit, den Steuersatz selbst festzulegen. Die Spanne reicht von 3,5 % (Sachsen und Bayern) bis zu 6,5 %

(z. B. in Nordrhein-Westfalen).

Hintergrund 2: Das GrEStG sieht jedoch einige Ausnahmen von der Besteuerung vor. Beispielsweise sind nach § 3 Nr. 4 GrEStG Erwerbe zwischen Ehegatten von der Grunderwerbsteuer befreit. Bei Umstrukturierungen im Konzern sind Vergünstigungen in § 6a GrEStG geregelt.

Sachverhalt: Eine Aktiengesellschaft (AG) war seit mehr als fünf Jahren Alleingesellschafterin einer Tochtergesellschaft, die auf die AG verschmolzen wurde. Hierdurch gingen die Grundstücke der Tochtergesellschaft auf die AG über. Das Finanzamt sah darin einen steuerbaren Erwerbsvorgang, der nicht nach § 6a GrEStG begünstigt sei. Demgegenüber vertrat das Finanzgericht die Auffassung, dass die Verschmelzung vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst werde. Und das hat der BFH nun bestätigt.

Die Grunderwerbsteuer wird für bestimmte steuerbare Erwerbe aufgrund einer Umwandlung (z. B. Verschmelzung) nach § 6a GrEStG nicht erhoben. Voraussetzung ist u. a., dass an der Umwandlung ein herrschendes und ein abhängiges Unternehmen beteiligt sind. Zudem muss die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft in Höhe von mindestens 95 % innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang bestehen.

Die in § 6a GrEStG genannten Fristen müssen, so der BFH, allerdings nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Danach muss die Frist von fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist) in Bezug auf die verschmolzene abhängige Gesellschaft nicht eingehalten werden, weil sie wegen der Verschmelzung nicht eingehalten werden kann.

Beachten Sie | Anders als das Bundesfinanzministerium legte der BFH auch in fünf weiteren Verfahren die Steuerbegünstigung zugunsten der Steuerpflichtigen weit aus. In einem Verfahren sah das Gericht die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung indes nicht als erfüllt an.

Quelle | BFH, Urteile vom 22.8.2019, II R 18/19 (II R 62/14) und II R 17/19 (II R 58/14); BFH, Urteile vom 21.8.2019, II R 16/19 (II R 36/14); II R 21/19 (II R 56/15); II R 19/19 (II R 63/14); II R 15/19 (II R 50/13); II R 20/19 (II R 53/15).

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