Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 06.2022

10.06.2022
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Mitgliedsbeiträge:

Coronabedingte Schließung eines Fitnessstudios: Rückzahlungspflicht von Beiträgen

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden, dass die Betreiberin eines Fitness-Studios Mitgliedsbeiträge zurückzahlen muss, die sie in der Zeit, in der sie ihr Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen musste, von einem Kunden per Lastschrift eingezogen hat. |

Das war geschehen

Die Parteien schlossen im Jahr 2019 einen Vertrag über die Mitgliedschaft im Fitnessstudio der Beklagten mit einer Laufzeit von 24 Monaten, beginnend ab dem 8.12.2019. Der monatliche Mitgliedsbeitrag, der im Lastschriftverfahren eingezogen wurde, betrug 29,90 Euro nebst einer halbjährigen Servicepauschale. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste die Beklagte das Fitnessstudio vom 16.3. bis 4.6.2020 schließen. Die Monatsbeiträge für diesen Zeitraum zog sie weiterhin vom Konto des Klägers ein. Eine vom Kläger im Mai 2020 erklärte Kündigung seiner Mitgliedschaft zum 8.12.2021 wurde von der Beklagten akzeptiert. Im Juni 2020 verlangte der Kläger von der Beklagten, die Mitgliedsbeiträge für den Zeitraum vom 16.3. bis 4.6.2020 zurückzuzahlen. Nachdem eine Rückzahlung nicht erfolgte, forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm für den Schließungszeitraum einen Wertgutschein über den eingezogenen Betrag auszustellen. Die Beklagte händigte dem Kläger keinen Wertgutschein aus, sondern bot ihm eine „Gutschrift über Trainingszeit“ für den Zeitraum der Schließung an. Dieses Angebot nahm der Kläger nicht an.

Bundesgerichtshof: Rückzahlungsanspruch gegenüber Fitnessstudio

Der BGH hat entschieden: Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge. Diesem Rückzahlungsanspruch des Klägers kann die Beklagte nicht entgegenhalten, der Vertrag sei wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird.

Unmöglichkeit der vertragsgemäßen Nutzung

Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: 275 Abs. 1 BGB) ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf. So liegt der Fall nach Ansicht des BGH hier: Während des Zeitraums, in dem die Beklagte aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ihr Fitnessstudio schließen musste, war es ihr rechtlich unmöglich, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.

Obwohl die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen musste, liegt kein Fall einer nur „vorübergehenden Unmöglichkeit“ vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Wird wie im vorliegenden Fall für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen.

Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Deshalb sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung. Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner die Nutzungsmöglichkeit des Studios zeitweise nicht gewähren, etwa weil er wie hier das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar.

Der BGH weiter: Die Beklagte kann dem Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht entgegenhalten, der Vertrag sei wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird. Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt nämlich grundsätzlich nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt.

Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie

Eine Vertragsanpassung wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ ist grundsätzlich nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Geschäftsgrundlagenstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat. Bei Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht vom Mai 2020 handelt es sich um eine solche spezialgesetzliche Regelung. Als diese Vorschrift geschaffen wurde, mussten aufgrund der umfangreichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Veranstaltungsverbote und Kontaktbeschränkungen eine Vielzahl von Veranstaltungen abgesagt und Freizeiteinrichtungen vorübergehend geschlossen werden. Daher konnten vielfach bereits erworbene Eintrittskarten nicht eingelöst werden. Ebenso konnten Inhaber einer zeitlichen Nutzungsberechtigung für eine Freizeiteinrichtung diese für eine gewisse Zeit nicht nutzen.

Gesetzgeber wollte Liquiditätsabflüsse und Insolvenzen vermeiden

Der Gesetzgeber befürchtete, dass die rechtliche Verpflichtung der Veranstalter oder Betreiber, bereits erhaltene Eintrittspreise oder Nutzungsentgelte zurückerstatten zu müssen, bei diesen zu einem erheblichen Liquiditätsabfluss führen würde, der für viele Unternehmen im Veranstaltungsbereich eine existenzbedrohende Situation zur Folge haben könnte. Zudem sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass Insolvenzen von Veranstaltungsbetrieben auch nachteilige Folgen für die Gesamtwirtschaft und das kulturelle Angebot in Deutschland haben könnten.

Um diese unerwünschten Folgen nach Möglichkeit zu verhindern, wollte der Gesetzgeber für Veranstaltungsverträge, die vor dem 8.3.2020 geschlossen wurden, eine Regelung schaffen, die die Veranstalter von Freizeitveranstaltungen vorübergehend dazu berechtigt, den Inhabern von Eintrittskarten statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen, sofern die Veranstaltung aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Es wurde dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung ebenfalls das Recht eingeräumt, dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht nutzbaren Teils der Berechtigung entspricht. Durch diese „Gutscheinlösung“ hat der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Interessen sowohl der Unternehmer im Veranstaltungs- und Freizeitbereich als auch der Interessen der Kunden eine abschließende Regelung getroffen, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungs- und Freizeitbereich abzufangen. Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die „Störung der Geschäftsgrundlage“ findet daneben nicht statt.

Quelle | BGH, Urteil vom 4.5.2022, XII ZR 64/2, PM 56/22 vom 4.5.2022


Gesetzliche Anspruchsgrundlagen:

Kein Entschädigungsanspruch gegen das Land wegen der Schließung eines Friseursalons

| Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat die Berufung der Betreiberin eines Friseursalons gegen die Versagung von Entschädigungsansprüchen zurückgewiesen und damit eine Entscheidung des Landgerichts (LG) Heilbronn bestätigt. Es gebe keine Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch gegen das Land Baden-Württemberg wegen der Schließung des Salons aufgrund der Coronaverordnung (CoronaVO). |

Das war geschehen

Der Friseursalon der Klägerin war aufgrund der CoronaVO vom 23.3. bis 4.5.2020 geschlossen. Die Klägerin hatte 9.000 Euro aus dem Soforthilfeprogramm des Landes Baden-Württemberg erhalten, die sie zurückzahlen muss. Sie verlangt daher mit der Berufung weiterhin vom beklagten Land eine Entschädigung in Höhe von 8.000 Euro. Es ging vorliegend sowohl um die Verhältnismäßigkeit der Betriebsschließung als auch um die Frage der rechtlichen Grundlage für einen Entschädigungsanspruch der Klägerin.

Keine Beweiserhebung zum Infektionsschutzgesetz

Das OLG lehnte zunächst zur Frage der Intentionen des Bundesgesetzgebers zu einzelnen Ermächtigungsnormen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine Beweisaufnahme etwa durch Vernehmung damaliger Kabinettsmitglieder ab. Dabei handele es sich um rechtliche Einordnungen und juristische Tatsachen, die nicht dem Beweis zugänglich seien.

Betriebsschließung verhältnismäßig

Auch in der Sache habe die Klägerin mangels entsprechender Anspruchsgrundlage keinen Erfolg: Die ergriffene Betriebsschließungsmaßnahme sei verhältnismäßig gewesen, wie es auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in vergleichbarer Rechtsprechung festgestellt habe. Ein Entschädigungsanspruch ergebe sich nicht aus § 56 IfSG, da nach dessen Wortlaut nur ein sog. Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern entschädigungsberechtigt ist. Darunter falle die Klägerin nicht, nur weil sie eine sog. Kontaktmultiplikatorin sei. Auch eine sinngemäße Anwendung der Vorschrift scheide aus, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle und die Entschädigungsvorschriften abschließend seien.

Kein enteignender Eingriff

Des Weiteren könne die Betreiberin des Frisiersalons ihren Anspruch nicht auf das Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolG BW) stützen, da diesem Entschädigungsanspruch eines sog. Nichtstörers die Sonderregelung des IfSG im Rahmen der Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten vorgehe. Dies gelte auch für den weiter von der Klägerin geltend gemachten Anspruch aus enteignendem Eingriff: Zwar könne unterstellt werden, dass mit der Betriebsschließung auch das unter dem Schutz des Art. 14 Grundgesetz (GG) stehende Recht der Klägerin an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbetreib betroffen war, allerdings seien auch die Regelungen des enteignenden Eingriffs nachrangig gegenüber den abschließenden Sonderregelungen im IfSG. Daher könne die Klägerin auch keine Entschädigung auf der Grundlage des Art. 14 GG verlangen.

Das OLG hat gegen diese Entscheidung die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 9.2.2022, 4 U 28721, PM vom 9.2.2022

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